0957 - Der schwarze See
sie von einem halben Dutzend weiterer Männern, die ihre Gewehre auf den wieder mit dem Tuch bedeckten Käfig richteten.
»Sie spielen hier nicht nur mit unserem Leben, Álvarez«, zischte Nicole. »Das, was Sie hier freilassen wollen, können Sie nie und nimmer kontrollieren.«
»Das lassen Sie mal ganz meine Sorge sein, Señorita Duval«, erwiderte der Zuckerbaron, während er im Jubel der Zuschauer badete. Die wenigsten konnten wissen, was sich in dem Käfig befand, doch allen war klar, dass ihnen etwas Sensationelles, nie da gewesenes bevorstand.
»Jetzt!«, schrie Antonio Álvarez. Ein Schrei des Entsetzens brandete auf, als das Tuch fiel und die Menge einen Blick auf das Insektenmonster erhaschen konnte. Viele bekreuzigten sich, einige weinten oder wurden sogar ohnmächtig, aber die meisten warteten gebannt auf das blutige Spektakel, das ihnen bevorstand.
Doch da waren sie nicht allein. Das gefangene Ungeheuer witterte die Unmengen von rotem, pulsierendem Blut in seiner Umgebung. Blut, das nur darauf wartete, vergossen zu werden. Brüllend und schnaubend warf sich die schwarzblütige Kreatur gegen die Gitterstäbe, sodass der stabile Wagen bedrohlich ins Wanken geriet. Hastig zogen sich die bewaffneten Männer zum Gatter zurück, bis auf die Unglücklichen, denen die Aufgabe zukam, die Bestie zu befreien.
Vorsichtig näherten sich die vier brutal aussehenden Kerle den dicken Riegeln, die die Käfigtür verschlossen hielten. Sie waren so nervös, dass sie Minuten brauchten, bis sie den ersten Riegel geöffnet hatten. Die gigantische Gottesanbeterin brüllte infernalisch und hämmerte mit ihren Endklauen auf das Gitter ein.
»Es wird Zeit, dass Sie sich auf Ihren großen Auftritt vorbereiten, Señorita Vásquez«, sagte Álvarez. Er gab einem seiner Männer ein Zeichen, woraufhin der eine längliche Kiste herbeitrug und öffnete. Sie enthielt ein nach antikem Vorbild gestaltetes Schwert und einen dazu passenden kreisrunden Schild.
»Ich fürchte, die Waffen werden Ihnen gegen die Bestie da unten nicht allzu viel nützen, aber vielleicht verschaffen sie Ihnen ja ein paar wertvolle Minuten«, sagte der Zuckerbaron. »Glauben Sie mir, es werden die intensivsten Ihres bedauerlicherweise nur sehr kurzen Lebens sein.«
»Sie hat da unten keine Chance«, sagte Nicole. »Sie wollen eine gute Show? Dann lassen Sie mich gehen. Ich habe schon gegen solche Kreaturen gekämpft.«
»Das ist sehr nobel von Ihnen, Señorita, aber Sie sind verletzt. Da wäre es doch reichlich unfair, Sie gegen so einen mächtigen Gegner antreten zu lassen. Aber vielleicht fangen Sie endlich an zu reden, wenn Ihre entzückende Freundin da unten um ihr Leben kämpft. Und vielleicht, aber auch wirklich nur vielleicht können meine Männer sie dann noch rechtzeitig da rausholen, bevor dieses Monster sie in Stücke reißt.«
»Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß.«
»Diesen Unsinn mit Höllenmonstern? Ich bitte Sie, da müssen Sie schon mit was Besserem kommen.«
Der letzte Riegel wurde zurückgeschoben - und die Kreatur war frei. Hektisch sprangen die Männer zurück und wollten zum Gatter zurückrennen. Doch sie waren nicht schnell genug. Die Bestie warf sich mit voller Wucht gegen die nun nicht mehr verschlossene Käfigtür. Die aufschwingende Tür traf einen der fliehenden Männer am Hinterkopf und warf ihn zu Boden. Benommen kam der Mann wieder auf die Beine, doch da sprang die Kreatur schon auf ihn und verbiss sich in seinem Rücken.
Seine drei Kollegen waren vor Schreck wie erstarrt, unfähig, den Blick von der wütenden Bestie abzuwenden, um sich selbst in Sicherheit zu bringen. Der Bann brach erst, als sich das Monster fauchend nach weiteren Opfern umsah und den ihm am nächsten stehenden Mann ins Visier nahm.
Keuchend warf sich der Kolumbianer herum und rannte los. Doch er hatte keine Chance. Mit einem gewaltigen Satz riss ihn die riesige Gottesanbeterin zu Boden. Blut und Eingeweide spritzten durch die Arena, als sich scharfe Zähne und Klauen im weichen Fleisch vergruben.
Die anderen beiden Männer hatten das Fallgatter erreicht. Hände packten sie und rissen sie in Sicherheit. Das Gatter knallte zu Boden, nur einen Sekundenbruchteil, bevor die rasende Bestie es erreicht hatte. Wütend warf sich das Insektenmonster gegen die neuerliche Beschränkung seiner gerade erst wieder gewonnen Freiheit. Jeder Schlag brachte die ganze Arena zum Erzittern und versetzte das Publikum zunehmend in Panik.
»Das läuft wohl nicht
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