0957 - Der schwarze See
gelungen«, murmelte Gryf. »Die Kugel hat die lebenswichtigen Organe nur knapp verfehlt. Glatter Durchschuss, das nenne ich Glück, Mädchen.«
Paula schüttelte eifrig den Kopf. »Das war nicht Álvarez. Wir waren gefangen auf dieser Militärbasis, und dieser CIA-Typ…«
»Später! Wo ist Zamorra?«
»Mit diesem CIA-Typen in der Todeszone. So nennen sie das Gebiet, das…«
»Stopp!« Mit einer knappen Handbewegung brachte der Mann namens Gryf die Journalistin zum Schweigen. »Das wird mir zu kompliziert. Hilf mir, Nicole rauszutragen. Ich brauche etwas Platz.«
Die Dämonenjägerin stöhnte leicht auf, als das ungleiche Paar sie vorsichtig an Schultern und Beinen anhob und aus dem Wagen ins hohe Gras neben der Piste trug.
»Wie haben Sie das gemacht, so einfach aus dem Nichts aufzutauchen?«, fragte Paula.
»Das nennt man einen zeitlosen Sprung . Eine sehr bequeme Art des Reisens - wenn man sich nicht plötzlich eingequetscht in einem durch den Urwald rasenden Auto wiederfindet.«
»Warum können Sie das?«
»Einfache Antwort? Ich bin ein Silbermond-Druide.«
»Aha.« Paula war selbst erstaunt, wie gelassen sie diese Eröffnung aufnahm. Aber nach den Ereignissen der vergangenen Tage wunderte sie erst mal nichts mehr.
»Und jetzt brauche ich einen Moment absolute Ruhe«, sagte Gryf. Bevor sie sich versah, hatte ihr der Blondschopf die Waffe abgenommen und dafür eine seltsam geformte Pistole mit einem spiralförmigen Lauf in die Hand gedrückt. »Das ist ein E-Blaster, er ist auf Betäuben gestellt. Wenn dieser Typ im Auto Rabatz macht oder seine Kumpels auftauchen, drückst du einfach ab. Schaffst du das?«
Paula nickte tapfer. Während sie die Umgebung im Blick hielt und panisch auf jedes Geräusch achtete, hob Gryf die Arme, schloss die Augen und murmelte geheimnisvolle Beschwörungen in einer Sprache, die uralt und sehr fremd klang. Eine Weile geschah nichts, doch dann zuckte plötzlich grünes Licht aus Gryfs Fingerspitzen hervor. Der Silbermond-Druide schrieb damit geheimnisvolle Zeichen in die Luft, die kurz aufleuchteten und dann wieder verschwanden. Atemlos sah Paula zu und hätte darüber fast ihre Umgebung vergessen, als sie ein Geräusch ins Hier und Jetzt zurückriss.
Ein Automotor. Und dann hörte sie das Gegröle. Mindestens vier oder fünf Männer, die befeuert von Alkohol und Mordlust nach ihrer Beute schrien. Álvarez' Leute. Und sie kamen direkt auf sie zu.
Angespannt blickte Paula zu Gryf, der ganz in sein Ritual vertieft war und nichts von der Welt um sich herum mitzubekommen schien. Er murmelte immer noch diese seltsamen Beschwörungen und schrieb jetzt mit seinen Fingern Zeichen direkt auf Nicoles nackten Oberkörper. Die Symbole schienen sich regelrecht in den Körper einzubrennen und verschwanden dann, ohne eine Spur zu hinterlassen.
»Jetzt kommt es auf dich an, Paula«, murmelte die Reporterin. »Bisher haben immer die anderen deinen hübschen kleinen Arsch gerettet, jetzt ist es an der Zeit, den Gefallen zu erwidern.«
Inzwischen waren Álvarez' Schergen so nah herangekommen, dass sie die einzelnen Stimmen unterscheiden konnte.
»Hey, Putas , jetzt lernt ihr mal echte Männer kennen! Ihr werdet euch noch wünschen, in der Arena gestorben zu sein!«
Álvarez kicherte vergnügt vor sich hin. Paulas Hand krampfte sich so fest um die bizarre Strahlenwaffe, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. »Verdammt, Gryf«, flüsterte sie. »Mach schneller!« Verzweifelt warf sie wieder einen Blick nach hinten. Bildete sie sich das ein, oder sah Nicole wirklich frischer aus, hatte ihre Haut ihre fürchterliche Blässe verloren?
»Da sind sie!«
Paula fuhr zusammen, als ein Pick-up direkt auf sie zu preschte. Der Fahrer bemerkte das stehende Fahrzeug zu spät und trat so fest auf die Bremse, dass der Wagen ins Rutschen geriet und gegen das Buschwerk schleuderte. Die Männer auf der Ladefläche des Pick-ups wurden durcheinandergewirbelt, einige stürzten fluchend zu Boden, waren jedoch sofort wieder auf den Beinen und sahen sich nach ihrer Beute um.
Paulas Kopf zuckte zu Gryf, doch der Silbermond-Druide schien immer noch nichts von der unmittelbaren Gefahr mitzubekommen.
»Scheiße«, zischte Paula. Sie zielte auf den nächststehenden Angreifer, einen dicken Kerl, dessen übelkeitserregenden Geruch nach Schweiß, Alkohol und Knoblauch sie noch auf die Entfernung riechen konnte. Der Fettsack riss sein Gewehr hoch, doch die Reporterin war schneller.
Paula war eine gute Schützin.
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