0958 - Die Kinder des El Rojo
erwartete er die Rückkehr der Frau, doch die ließ ihn warten. Wie lange, das konnte Ewigk irgendwann nicht mehr einschätzen, denn sein Zeitempfinden verlor sich hier rasch.
Und nicht nur der Sinn für die verstreichende Zeit - irgendwann fragte sich Ted, ob es denn wohl außer diesem Grün, das ihn hier umgab, überhaupt noch andere Farben gab. Er konnte sich nicht daran erinnern. Eine Weile beschäftigte er sich mit dieser Frage, dann gab er das Grübeln auf.
Als Mysati ganz plötzlich wieder erschien, erschrak er sich. Ihr Gesichtsausdruck war ein Spiegel ihrer Empfindungen: Mysati war unzufrieden. Sie betrachte Ted Ewigk in aller Ausgiebigkeit.
»Wie seltsam, Ted Ewigk… Ich konnte nichts über dich in Erfahrung bringen. Anscheinend kennt dich hier überhaupt niemand. Aber die Welt, auf der ich dich gefunden habe, ist eine wichtige Welt, weißt du? Dort wird niemand geduldet, wenn er nicht eine bestimmte Funktion hat. Oh, ich wüsste schon, wen ich fragen könnte, doch dann wäre der ganze Spaß ja schon vorbei. Es gibt Wesen, die besitzen keinen Sinn für Humor. Ich aber schon.«
Hinter Mysati schwebte eine Platte wie durch Zauber in der Luft. Darauf konnte Ted Tiegel, Flaschen und Flakons ausmachen. Mysati beugte sich tief zu ihm herunter. Ihre Stimme klang einschmeichelnd, wie die einer Verführerin.
»Nun, mein Freund, wie hast du dich entschieden? Willst du dich meiner fabelhaften Fähigkeiten bedienen? Doch bedenke - es ist nicht ungefährlich. Und du wirst Schmerzen erleben, wie du sie zuvor nicht gekannt hast. Also?«
Ted Ewigk zögerte nur einen kurzen Moment.
»Ich habe mich entschieden. Ich will endlich wieder der Mann werden, der ich wohl einmal gewesen bin. Ich will alles wissen, mich an alles erinnern. Fang an.«
Mysati lächelte hintergründig. Dann wandte sie sich der schwebenden Arbeitsplatte zu und begann die verschiedensten Ingredienzien in den großen Tiegel zu füllen. Bald schon stieg grüner Rauch aus dem Gefäß empor. Ted Ewigk fühlte, wie er zu schwitzen begann. Er hatte keine Ahnung, was ihn tatsächlich erwarten würde.
Irgendwann schien Mysati zufrieden. Dann begann sie die Masse in dem Mörser mit einem runden Stein zu zerkleinern. Schließlich und endlich goss sie eine hellgrüne Flüssigkeit hinzu. Zufrieden betrachtete die Frau ihr Werk.
»Gut, soweit hat alles seine Richtigkeit. Die ganze Prozedur besteht aus drei Phasen.« Sie führte den Mörser an Teds Lippen. »Phase eins dauert eine gewisse Zeit, also kann ich mich derweil einmal auf der Welt umsehen, von der ich dich geholt habe. Ich bin sicher, dort wird man zu schätzen wissen, was ich hier für dich tue. Also los - trink alles in einem Schluck aus.«
Die Flüssigkeit war geruchlos. Ted atmete zweimal tief durch, dann ließ er den grünen Saft durch seine Kehle gleiten.
Und in der gleichen Sekunde explodierte sein Gehirn!
***
Artimus schlich durch die Eingangshalle des Hauptgebäudes.
Die Stille hier wirkte bedrückend, denn für ihn war sie ein Zeichen dafür, dass Rojo das Anwesen aufgegeben hatte. Wenn dem so war, dann musste er nach Hinweisen suchen, wohin man die Kinder gebracht hatte. Vorsichtig ging er von Zimmer zu Zimmer, doch zunächst wurde er nicht fündig. Waren tatsächlich alle ausgeflogen? Die Vampire mochten die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkannt haben, auch wenn van Zant sicher war, dass die Macht, die sich hier in Kolumbien manifestiert hatte, in keinerlei Zusammenhang mit den Blutsaugern stand.
Zu gerne hätte er Zamorras Meinung gehört, doch wo der sich aufhielt, konnte der Physiker nur ahnen. Wenn dieses Todesareal etwas mit der zerstörten Hölle zu tun hatte, dann mochte der Parapsychologe durchaus auch ganz in der Nähe sein. Doch irgendwie glaubte Artimus nicht daran, denn er hielt diese Kraft für eine ganz neue Art der Bedrohung. Vielleicht stimme das Gerücht ja, dass hier in der Nähe ein Raumschiff abgestürzt war.
Artimus van Zant hatte zu viel gesehen und erlebt, als dass er irgendetwas auszuschließen bereit war. Außerdem war jetzt nicht die Zeit für die Suche nach einer Erklärung. Nach langen Minuten war klar, dass sich im Hauptgebäude niemand aufhielt.
Als Artimus aus dem Haus trat, sicherte er erst die Umgebung. Noch immer rührte sich nichts und niemand. Die Kinder waren in den beiden Nebengebäuden untergebracht. Die breite Eingangstür stand weit offen. Artimus hielt das für ein eher schlechtes Zeichen, denn hier gab es im Normalfall sicher strenge
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