0958 - Die Kinder des El Rojo
möglich.
Und bei jedem seiner Tode kamen Bilder zu ihm. Keine konkreten Personen dieses Mal, sondern Begebenheiten, die er kannte, zu kennen glaubte.
Ein Baby in den Armen der Mutter, glücklich und geborgen.
Ein Junge in der Schule - wissbegierig und fröhlich.
Ein junger Mann, der ein Mädchen küsste.
Ein talentierter und ehrgeiziger Reporter, der durch die ganze Welt hetzte und schon bald für seine Ted Ewigk-Meldungen berühmt wurde… Kriegsschauplätze, Naturkatastrophen, große Feierlichkeiten - er sah sie alle vor sich.
Dann die Kristallwelt.
Und ein Schiff, groß wie ein Mond, das kam, um die Erde zu vernichten.
Harte Kämpfe, Niederlagen und Verluste, aber auch glückliche Stunden.
Alles war da - nichts von dem verloren!
Doch er konnte die Eindrücke nicht halten. Beim nächsten Sinken auf den Grund entglitten sie ihm erneut.
Und irgendwann würde er dort unten liegen bleiben. Da würde es keinen Auftrieb mehr geben. Große Panik überkam ihn, denn er wollte doch leben!
Dann war es so weit. Ewigk wusste, dass dies der letzte Durchgang war.
Er sah sich selbst in einer Hohlkugel aus Millionen feinster Holzstückchen. Die Gegenwart war also erreicht. Danach konnte nichts mehr kommen.
Noch einmal drang die Flüssigkeit ungebremst in seine Lungen und raubte ihm das Leben.
Doch dann kam er schreiend zu sich und riss mit schier unmenschlicher Kraft an den Fesseln, die ihn hier fixierten. Und die Fesseln rissen…
Er ließ sich so unbeholfen von der Liege gleiten, dass er hart auf den Fußboden prallte.
Er war frei, auch wenn er das kaum glauben konnte.
Selten, nein, nie zuvor hatte er sich so verwirrt gefühlt. All diese Begebenheiten aus seinem Leben waren noch da, doch sie wichen immer weiter von ihm ab. Was, wenn er jetzt floh, wenn er das wirklich schaffen konnte? Würde alles erneut in Vergessenheit abrutschen? Doch gleichzeitig fürchtete er sich vor der dritten und letzten Phase, denn schon die beiden ersten hatte er nur knapp überlebt.
Sollte er bleiben? Das Risiko war hoch… doch andererseits waren ihm die Erinnerungen so wertvoll, dass er sie nie wieder fortgeben wollte.
Er hatte keine Ahnung, was nach dem Ende dieses magischen Experiments mit ihm geschehen würde. Mysati tat dies alles nicht aus Menschenfreundlichkeit, denn Ted glaubte, dass sie dieses Wort nicht einmal kannte. Irgendeinen Vorteil versprach sie sich mit Sicherheit. Ihre Andeutungen hatte Ewigk nicht zu deuten gewusst. Aber all das musste er jetzt einfach riskieren. Er wollte wieder der Mann sein, der er einmal war. Auch mit all den schmerzlichen Erinnerungen, von denen es viel zu viele gab.
»Oh, du hast dich befreien können?« Mysati materialisierte direkt vor ihm. Eine einzige Handbewegung von ihr reichte aus, um Ted erneut bewegungsunfähig zu machen.
»Ich hätte fliehen können.«
»Schlau von dir, dass du es nicht getan hast. Du hättest alles wieder verloren, aber das weißt du sicherlich.«
Ewigk schwieg. Er hatte eine Chance verpasst - oder eine viel größere gewonnen.
Wie von Geisterhand wurde der blonde Hüne wieder auf die Liege gehoben und die Fesseln schnappten erneut zu. Nahezu im gleichen Atemzug zuckte ein heftiger Schmerz durch Teds linken Arm. Mysati verlor wahrhaftig keine Zeit. Sie hatte Ewigk eine Kanüle in den Arm gestoßen, die über einen Schlauch mit einem gläsernen Ballon verbunden war, in dem eine dunkelgrüne Flüssigkeit schwappte.
»Jetzt beenden wir den Vorgang. Phase drei: Alles wird fixiert und fest verankert. Überlebe es, Ted Ewigk, überlebe es!«
Der erste Dolchstoß ließ Ted aufheulen, der zweite nahm ihm die Luft zum Atmen… doch das war erst der Anfang.
***
El Rojo sah aus einiger Entfernung zu, was seine Vampire taten.
Ihre ledrigen Schwingen waren über dem Dach des Dschungels nicht zu übersehen. Und sie machten ihre Sache gut. Die magisch aufgeladenen Brandsätze, die sie vom Himmel regnen ließen, erzielten eine Wirkung, mit der El Rojo nicht gerechnet hatte.
Das Feuer breitete sich so schnell über dem gesamten Dschungelgürtel aus, sodass in kürzester Zeit der gesamte Baumbestand in Flammen stand. El Rojo war zufrieden, doch in seinem Hinterkopf nagten die Zweifel am Sinn dieser Aktion. Das Areal breitete sich aus, es wuchs unkontrolliert und unberechenbar in alle Himmelsrichtungen. Ob diese Feuerwand das Anwesen des Vampirclans noch retten konnte, ob die Flammen überhaupt eine Reaktion hervor riefen? Selbst die Regierung mit ihrer Atomexplosion
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