0958 - Die Kinder des El Rojo
diese Kinder in Sicherheit bringen sollte, doch er musste ein Problem nach dem anderen angehen.
Zunächst musste er Alita finden.
Erstaunlicherweise befanden sich die Kellerräume in einem guten Zustand. Überall waren Neonröhren unter der Decke befestigt, die ein kaltes, aber vollkommen ausreichendes Licht abgaben. Ein Blick in die dem Kellergang angrenzenden Räume jedoch ließ den Physiker erschaudern:
Blutspritzer überall - an den Wänden, auf dem Boden, selbst an der Decke. Artimus mochte sich überhaupt nicht ausmalen, was der Vampirclan hier in den vergangenen Jahren so getrieben hatte. Doch viel schlimmer als die Blutsauger war für Artimus dieser alte Mann, der mit seinen Krücken ein hartes Regiment geführt hatte. Der Krüppel war ein Mensch! Wie konnte er sich nur mit Kreaturen der Hölle auf eine Stufe begeben?
Es war der letzte Raum, ehe der Gang endete, in dem Artimus fündig wurde.
Er unterdrückte einen Schrei, denn was er sah, war einfach nur grauenvoll.
Alita Tirado war nackt auf eine Liege aus Metall fesselt. Auf ihrem ganzen Körper konnte Artimus Brandwunden, Einstiche und blutige Striemen erkennen. Die älteren davon waren mit Salbe und Pflaster versorgt - der perverse Folterknecht verstand sein Handwerk. Er wollte möglichst lange seinen grausamen Spaß mit der Frau haben. Van Zant hätte die größte Lust gehabt, zu dem Verwalter zurückzukehren und ihn zu töten. Gedanken, die er von sich sonst so nicht kannte. Aber dieser Kerl war kein Mensch - er war schlimmer als alle Vampire, die sich hier herumtrieben.
Neben der Liege stand ein Metalltisch auf dem fein säuberlich die Folterwerkzeuge zu finden waren. Mit einem wütenden Fußtritt schoss van Zant den Beistelltisch quer durch den Raum, wo er an einer Wand regelrecht zerplatzte. Mit höllischem Klirren landeten die Messer, Bunsenbrenner und Zangen auf dem Boden.
Artimus beugte sich zu Alita hinunter. Voller Angst prüfte er ihren Pulsschlag. Sie lebte! Natürlich war sie - wie alle anderen auch - in einer tiefen Ohnmacht gefangen. Und wieder sah Artimus vor seinem inneren Augen ein Bild der mexikanischen Malerin Frida Kahlo, der Alita wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich war. Frida hatte viele Bilder ihres Leidens gemalt - im Krankenbett liegend und von Schmerzen gepeinigt. Van Zant musste sich mit Gewalt von diesen Bildern lösen, denn hier durfte er nicht lange zögern.
Er durchtrennte die breiten Lederriemen, die Alita an Händen und Füßen fixierten. Dann warf er sich die junge Frau über die Schulter. Sie schien ihm leicht wie ein Kind zu sein. Nun nichts wie fort. Irgendwie musste er die Kinder und Alita aus der Gefahrenzone schaffen.
Er wollte sich zur Tür wenden, als er wie angewurzelt stehen blieb. Im Türrahmen stand ein Mann, den Artimus durchaus einzuordnen wusste, obwohl er ihm persönlich noch nie begegnet war: El Rojo, der Clanchef der Vampire. Der Mann hatte die Figur eines durchtrainierten Kämpfers, der sicherlich mit allen Wassern gewaschen war.
Artimus musste auf der Hut sein. Selbst in seiner menschlichen Form war der Vampir ein harter Gegner. Mit einem harten Lächeln blickte der Mann auf den Physiker.
»Dann warst du es wohl, der meinen Verwalter niedergestreckt hat, nicht wahr? Und nun willst du diese Frau von hier fortbringen - vielleicht sogar alle meine Kinder? Das mag ich nicht.«
Van Zant brauste auf. Ihm platzte der Kragen bei dieser idiotischen Rede.
»Deine Kinder, du Vieh? Deine? Die Kinder, die du wie Sklaven hältst, damit sie für dich Drogen verkaufen? Die du quälen lässt, bis ihre kleinen Seelen vor Angst kaputt gehen? Und du sprichst von deinen Kindern ? Wenn es noch eine Hölle gäbe, dann solltest du jetzt in ihr schmoren. Geh mir aus dem Weg und lass mich tun, was ich tun muss. Das alles hier ist für dich doch so oder so verloren.«
El Rojo feixte.
»Sieh an, ein Eingeweihter. Du weißt vom Ende der Hölle? Dann weißt du sicher auch, dass wir Vampire noch da sind - unser Volk hat die Katastrophe überstanden. Und glaube nicht, dass wir unsere Macht hier auf der Erde nicht noch weiter ausbauen werden. Wer sollte uns jetzt noch daran hindern? Du vielleicht? Also los, wenn du an mir vorbei willst, dann musst du mich besiegen.«
Entsetzt beobachtete Artimus, wie El Rojo sich binnen Sekunden in die hässliche Fledermausgestalt verwandelte, aus deren Maul Geifer tropfte. Der Vampir wollte trinken! Von ihm trinken. Van Zant wusste, wie gering seine Chancen waren, doch die
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