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0959 - Asmodis’ Hölle

0959 - Asmodis’ Hölle

Titel: 0959 - Asmodis’ Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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Beerdigung war auf zehn Uhr angesetzt und er hatte den Sarg rechtzeitig abzuliefern. Tat er es nicht, hatte sein Arbeitgeber eine Konventionalstrafe zu zahlen, die dieser wie üblich bis auf den letzten Cent an den Fahrer weitergeben würde. Darauf hatte Malamocco nun überhaupt keine Lust. Er beschleunigte noch etwas mehr, selbst auf die Gefahr hin, dass den Passagieren schlecht wurde. Aber was immer er auch tat, die Geschwindigkeit erhöhte sich nicht.
    Der kalte Schweiß brach ihm aus. Hier ging etwas nicht mit rechten Dingen zu!
    »Haben Sie eigentlich das Geisterschiff schon gesehen, von dem alle Leute reden?«, fragte Eugenia Govi unvermittelt.
    »Nein.« Malamocco lächelte sie unsicher an. »Es taucht doch nur nachts auf und ich fahre ausschließlich am Tag.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Wie meinen Sie, Signorina?«
    »Ich meine, ob Sie sicher sind, dass das Geisterschiff nur nachts fährt.«
    »Ja… nein, eigentlich nicht. Ich weiß es nicht.«
    »Sie glauben an so einen Unsinn, Signore Malamocco?«
    »Ich weiß nicht… Keine Ahnung.«
    Ganz plötzlich bekam Napoléon Malamocco seine Gedanken nicht mehr klar. Er sah ein altertümliches, von einer feurigen Aureole eingefasstes Segelschiff über das Wasser fliegen. Die Männer an Bord glichen Piraten. Sie schauten ihn höhnisch an, manche mitleidig und nahmen den Sarg vom Totenboot, das am Hintereingang des Friedhofs von San Michele anlegte. Dann schwebten sie mit der »letzten Wohnung« über die winzige Mole und fuhren den Sarg, die Trauergäste im Schlepptau, auf einem kleinen eisernen Karren zu der Renaissancekirche, wo die Totenmesse stattfand. Danach rollte der Karren an den viel besuchten Gräbern von Igor Stravinski und Ezra Pound und jenen von vielen Tausend unbekannten Venezianern vorbei und wurde schließlich in die von Bergen tief schwarzer Blumen und Gestecke gesäumte Grube abgelassen. Die Trauergäste bestanden ausschließlich aus den Piraten des Geisterschiffs, während der Pfarrer, eine mächtige, schwarzbärtige Gestalt im mittelalterlich anmutenden roten Rock, die letzten Worte sprach.
    »Fahr zur Hölle, du Hurensohn«, glaubte der Leichenfahrer zu verstehen.
    Napoléon Malamocco näherte sich dem noch immer offenen Sarg und warf einen Blick hinein. Ein unartikulierter Schrei löste sich aus seiner Kehle. Der Tote darin - war er selbst! So weiß wie eine Wand, die Hände friedlich auf dem Bauch gefaltet. Zum friedlichen Bild passte allerdings nicht, dass der Tote - er selbst! - die Augen weit aufgerissen hatte und dass sich darin das Geisterschiff spiegelte. Und Signorina Eugenia Govi!
    Ich muss weg von hier. Der Teufel, das ist der Teufel. Ich muss den Sarg nach Burano fahren…
    Napoléon Malamocco sah sich am Steuer des Totenbootes. Mit halsbrecherischer Geschwindigkeit raste er auf die Fischerinsel Burano zu, sah die malerischen Fischerhäuser in ihren kräftigen, bunten Farben und die unheimlichen schwarzen Schatten, die sich darüber schoben. Durch den ersten Kanal, den Rio terranova , raste er auf den schiefen Turm der Kirche San Martino zu, wie einst James Bond über Land, während die Menschen links und rechts wegspritzten. Er musste in den Vorraum der Kirche, wo ein uralter Hund und die kitschige goldene Statue von Papst Paul dem Zweiten den Eingang bewachten. Der Papst musste ihm helfen!
    »Was?«
    Napoléon Malamocco kam wieder zu sich. Laute Rufe drangen wie durch dichten Nebel an sein Ohr und hörten sich deshalb seltsam dumpf an. Ein Keuchen stieg aus seiner Kehle, er zitterte am ganzen Körper. Noch immer stand er am Steuer des Totenbootes. Aber wo war San Michele? Die Friedhofsinsel hätte frontal voraus sein müssen, aber da war nur Wasser!
    Er drehte sich erschrocken um. San Michele lag bereits hinter ihnen! Und die Trauergäste schienen in die Glaskabine eingeschlossen zu sein! Verzweifelt schlugen und klopften sie mit ihren Taschen gegen das Glas, ein Mann versuchte, mit roher Gewalt die Tür zu öffnen. Nichts funktionierte.
    Der Leichenfahrer fuhr erneut herum. Neben ihm stand Eugenia Govi und grinste ihn bösartig an. Gerade eben war sie nicht mehr da gewesen. Wo kam sie so plötzlich her? War sie aus dem Nichts erschienen?
    »Was… machen Sie? Wer sind Sie? Wir… wir müssen nach San Michele, bitte!« Malamoccos Zähne klapperten laut aufeinander. Er spürte nun das absolut Böse, das neben ihm stand, überdeutlich.
    »Du wirst mir verzeihen, mein Böser, aber wir haben heute ein anderes Ziel«, erwiderte Eugenia

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