0959 - Der Loower und das Auge
immer nicht sichtbar geworden waren, ertönte ein halb empörter, halb entsetzter Schrei.
„Rohling!" dröhnte es aus dem Translator. „Fast hätte er sich das Genick gebrochen."
Pankha-Skrin beugte sich vor und sah genau hin. Ganz genau. Und er entdeckte ein winziges Männlein, nicht größer als zehn Zentimeter, grünhäutig und mit kahlem Schädel, das ihn aus kaum punktgroßen Augen wütend anfunkelte.
„Was ...", hob er an, dann kam ihm die Erleuchtung. Er lehnte sich erschüttert zurück.
„Das also sind die Siganesen!" sagte er zu sich selbst. „Ich hätte mir die Burschen nicht so klein vorgestellt."
Er verdrehte seine Stielaugen, um den Zwerg auf seinem Translator noch einmal begutachten zu können, aber dieser war schon wieder verschwunden. Pankha-Skrin kannte das quecksilberige Temperament der Terraner, aber gegen die Siganeser, erschienen die original groß gewachsenen Terraner geradezu als gesetzte Intelligenzen.
Pankha-Skrin seufzte entsagungsvoll und dachte, daß er immerhin einen Siganesen gesehen und mehrere gehört hatte. Was wollte man mehr verlangen? Bei dem Tempo, das diese Wesen bevorzugten, würde wohl kaum ein Loower mehr Pluspunkte für sich verbuchen können.
„Willst du nicht endlich hinsehen?" rief eine ungeduldige Stimme.
Pankha-Skrin beschloß, sich von den kleinen Irrwischen nicht länger verwirren zu lassen und wollte sich seinem Glas widmen. Aber sein Greiflappen zuckte fast von selbst zurück, und die sechs Siganesen, die auf der Tischkante Aufstellung genommen hatten, mußten die Füße fest auf die Platte stemmen und heftig mit den Armen rudern, damit sie in dem Miniaturorkan, den der Quellmeister entfesselte, nicht auf und davon flogen.
„Was bist du nur für ein ungeschickter Kerl! „ schimpfte einer von den sechs Kleinen. Offenbar hatte er inzwischen einen eigenen Verstärker eingeschaltet, denn seine Stimme war laut genug, um den Translator ansprechen zu lassen, obwohl er nicht direkt in die Membrane brüllte.
„Sei doch bitte still, Vavo!" bat ein anderer Siganese, und Scham und Verzweiflung schwangen in seiner Stimme.
„Ich denke gar nicht daran!" fuhr der kleine Mann namens Vavo empört fort. „Erst verlangt er von uns, daß wir uns zeigen, und dann fegt er uns fast vom Tisch."
„Verzeih ihm", bat der andere und wandte sich dabei unverkennbar an Pankha-Skrin. „Es mangelt ihm an Höflichkeit, aber dafür kann er nichts. Er ist einfach zu groß und zu grob gebaut. Darum kann er sich unseren feinen Sitten nicht anpassen."
Pankha-Skrin zog für einen Moment die Augenstiele ein. Als er sie wieder ausgefahren hatte, war er zu dem Schluß gelangt, diese absonderlichen kleinen Leute so zu nehmen, wie sie eben waren, mochten ihre Sitten auch noch so merkwürdig sein. Gleichzeitig erreichte ihn ein Impuls aus seinem Tiefenbewußtsein: Es wäre im Sinne der Entelechie, wenn er versuchte, diese Winzlinge für seine Zwecke einzuspannen. Wie und in welcher Form er das tun sollte, davon hatte er vorerst keine Ahnung.
Plötzlich wurde er sich wieder des Pochens in seinem Skri-marton bewußt, und heftige Erregung befiel ihn. Das Pochen hatte eingesetzt, als der Transmitter zu arbeiten begann.
„Seid ihr vor einigen Minuten aus dem Transmitter gekommen?" fragte Pankha-Skrin.
„Ja", antwortete einer der Siganesen, aber als er daranging, einiges zu erklären, hörte der Quellmeister schon nicht mehr hin. Für ihn stand fest, daß die Siganesen für die Aktivität des Quellhäuschens verantwortlich waren. Aber warum? Und wie funktionierte das?
Pankha-Skrin ließ seine Gedanken in der Erinnerung rückwärts wandern, denn da war eine Information, von der er geglaubt hatte, sie werde ihm nie wieder von Nutzen sein. Und endlich fand er, wonach er gesucht hatte: In einem jener Jahre, die zu zählen er vergessen hatte, waren er und die Loower von der Kairaquola auf ein höchst merkwürdiges Volk gestoßen, das einem noch merkwürdigeren Kult huldigte: Es betete eine Quelle an. Diese Quelle war insofern ein bemerkenswertes Gebilde, als sie erstens kein Wasser spendete, sondern im Grunde genommen überhaupt nichts tat, und sich zweitens zwischen den beiden Sonnen befinden sollte, die diesen Planeten mit einer verschwenderischen Fülle von Licht bedachten.
Die Loower waren wie elektrisiert, und obwohl Pankha-Skrin ihnen versicherte, daß die „Quelle" der bewußten Eingeborenen nichts mit jenem Gebilde zu tun hatte, nach dem die Kairaquola suchte, konnten sie der
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