0960 - Aibons böse Diener
hellen Steine stellen, wenn sie breit und hoch genug waren.
Jane und Muriel taten es. Gordon Tarling konnte nicht mehr. Er war fertig und sank zwischen den beiden Frauen zusammen. Stöhnend blieb er am Boden sitzen und sprach flüsternd von seinen Söhnen, die tot waren, aber trotzdem lebten.
»Worauf wartest du eigentlich?« fragte Muriel.
»Das wirst du gleich sehen.«
Die Irin runzelte die Stirn. »Du hast gesagt, daß sie im Haus sind. Das stimmt doch?«
»Leider.«
Muriel nächste Worte drangen stockend über ihre Lippen. »Der Wagen hat sich aufgelöst, als sie mit ihm in Berührung kamen. Wie war das mit dem Haus?«
»Es gibt die Tür nicht mehr«, erklärte Jane lakonisch.
Muriel sagte zunächst nichts. Obwohl sie damit hätte rechnen müssen und auch gerechnet hatte, fühlte sie sich von dieser Antwort im ersten Moment überfordert. Es dauerte seine Zeit, bis sie Janes Antwort interpretieren konnte. »Wenn das so ist, müssen wir damit rechnen, daß sich - daß sich mein Haus auflöst.«
»Ja, Muriel. Die Schatten werden es verschlucken, wie sie auch meinen Corsa verschluckt haben.«
»Scheiße!« Sie wurde noch blasser. »Unser Haus, einfach weg. Es wird nicht mehr zurückkehren. Die Stelle wird leer sein, als hätte dort niemals etwas gestanden.«
Jane ließ sie reden, denn sie dachte bereits weiter. Die Schatten verschlangen alles, und wahrscheinlich würde es nicht nur bei diesem einem Haus bleiben. Sie würden durch den Ort gehen und alles verschwinden lassen, was sich ihnen in den Weg stellte. Dann gab es dort, wo einmal der Ort Beragh gestanden hatte, nur mehr eine freie Fläche, und der alte Ort lebte nur noch in der Erinnerung. Wobei niemand sagen konnte, wieso er verschwunden war, denn die Menschen würden ebenfalls in den magischen Bereich der Schatten hineingeraten.
Es würde ein Rätsel bleiben und die Menschen zu Spekulationen reizen, aber die Wahrheit würde kaum jemand herausfinden. Sie war einfach zu phantastisch.
Aber es war die Wahrheit. Und sie zu begreifen, fiel den meisten Menschen schwer.
Die beiden auf den Steinen stehenden Frauen warteten. Mit jeder vergehenden Sekunde erhöhte sich ihre Spannung. Nur nicht bei Gordon Tarling.
Er hockte zwischen ihnen auf dem kalten Boden und brabbelte hin und wieder etwas, das niemand verstand. Einmal griff er in die Gesäßtasche, holte die Flasche hervor und mußte feststellen, daß er sie bis auf den letzten Tropfen leergetrunken hatte. Voller Wut und Enttäuschung schleuderte er sie weg.
Muriel schrak plötzlich zusammen. Dabei hob sie den Arm, der in einem unnatürlichen Winkel stehenblieb. »Da ist etwas!« hauchte sie. »Ja, da am Haus, Jane.«
Die Detektivin nickte nur. Auch sie hatte es gesehen, und sie konnte ein Zittern nicht unterdrücken. Sie wußte, daß sie dieses Haus in schon kurzer Zeit nicht mehr vorfinden würde, wie es jetzt noch auf seinem angestammten Platz stand.
Da bewegte sich etwas. Sie konnten es nicht sehen, nur mehr ahnen.
Innerhalb der Mauern, aber auch dicht an den Fenstern, huschte etwas hin und her.
Jane fragte sich, ob die Schatten bereits die Wohnungseinrichtung hatten verschwinden lassen. Es war bestimmt so, denn sie saugten alles auf, was in ihre Nähe geriet.
Im nächsten Augenblick konnten die Frauen ihre Theorie vergessen, denn ihnen wurde ein Schauspiel geboten, mit dem sie nie im Leben gerechnet hatten…
***
Gehen, laufen, die Stecke zurück. Es war alles so einfach auf der Hinfahrt gewesen, nun aber kam ich mir vor wie jemand, der ausgestoßen war. Mit dem man seine Spielchen trieb, der nicht mehr war als eine Marionette, die aus dem Unsichtbaren herausgeführt wurde und über die andere Menschen nur lachten.
Auf der Hinfahrt hatte ich nicht auf die Kilometer geachtet, die wir zurückgelegt hatten. Waren es drei, vier, fünf oder noch mehr gewesen. Eher noch mehr, dachte ich, eher noch mehr, und diese drei Worte nagelten sich in meinem Gehirn fest.
Ich verbannte meine Gedanken an den verschwundenen Suko, das heißt, ich versuchte es, nur war dies nicht so einfach zu packen. Immer wieder fragte ich mich, wo er steckte und wie es ihm ging. Gut bestimmt nicht, schlechter als mir, und das wiederum gab mir den nötigen Auftrieb, um den Weg fortzusetzen.
Einen Vorteil hatte ich. Es war der Bachlauf, der parallel zu meinem Weg floß. An der linken Seite begleitete er mich. Ich hörte sein Plätschern und manchmal auch das Rauschen. Beides klang wie Musik in meinen Ohren. Wäre das nicht
Weitere Kostenlose Bücher