0960 - Das UFO-Serum
sie. Wenn es ihr gelang, die Fäden von sich fernzuhalten, sollte er eigentlich auch im stande sein, sich ganz aus dieser Falle zu befreien.
Die Waffe - sie hatte sie ganz vergessen in der Aufregung, und dem Jungen war es offenbar genauso ergangen. Sie versuchte, ihm Zeichen zu geben. Er reagierte nicht. Sie sah genauer hin und erkannte zu ihrem Entsetzen, daß sich zwei Fäden um seinen Hals gewunden hatten und ihn zu erwürgen versuchten.
Das war zuviel. Leevina verlor die Kontrolle über sich selbst. Sie begann zu schreien, wie sie in ihrem ganzen Leben noch nicht geschrien hatte. Sie schlug um sich und spürte weichen Widerstand auf allen Seiten. Wenn sie die Augen öffnete, sah sie die Fäden, die sich krümmten und wanden, als würden sie von schrecklichen Schmerzen geplagt. Aber meistens zog sie es vor, nicht in all das Grauen hineinzusehen.
Schließlich war sie zu erschöpft, um noch weiter Angst zu empfinden. Stumpf und empfindungslos starrte sie ins Leere. Kert bewegte sich ein wenig, und die Fäden um seinen Hals fielen herab.
Sonst blieb alles beim alten.
Jenseits der schimmernden Wände bewegten sich Schatten und Gestalten. Leevina sah die Tiere, die in diesem Wald hausten. Sie bestanden durchaus nicht nur aus ein paar Stimmen auf einem Tonkristall. Sie begriff, daß sie unsagbares Glück gehabt hatten, als sie unbehelligt bis an die Felswand herangekommen waren, und noch mehr Glück, als sie durch die Finsternis hatten gehen müssen.
Als es schon lange finster war, spürte sie, daß das Leuchtgebilde sich bewegte. Sie ahnte, daß es jetzt zu einem neuen Flug startete. Sicher war es auf der Suche nach Beute. Es erhob sich in die Luft - und fiel wieder herab.
Das ging ein paarmal so, und Leevina, die nicht genug Bewegungsfreiheit hatte, um sich abzustützen, glaubte, sie würde sich alle Knochen im Leibe brechen.
Endlich lag das Gebilde still. Dann wurde das Leuchten ein wenig schwächer.
Leevina hatte schrecklichen Durst, und auch der Hunger war schlimm. Sie erinnerte sich an die Konzentrate und die Wassertabletten, die in einer Tasche an ihrem Gürtel steckten. Sie konnte die Hände nicht bewegen - sie hatte es oft genug versucht. Trotzdem probierte sie es. Und sie stellte überrascht fest, daß es plötzlich ging.
Sie stopfte sich den Mund so gierig voll, daß sie sich verschluckte. Ungläubig beobachtete sie, daß die Fäden um sie herum zu schwanken begannen, wenn sie hustete. Sie überwand diesen Hustenanfall und blies gegen die Wände ihres Gefängnisses. Die Fäden schwankten wirklich. Als sie mit der Hand dagegen drückte, brachen sie entzwei und stürzten wie kleine Würmer in eine Mulde, die sich zu ihren Füßen bildete.
Sie stieß.beide Hände in die Masse und schob sie weg. Binnen weniger Sekunden schuf sie ein Loch, das groß genug war, um mit der Hand hindurchzulangen und Kert anzustoßen. Der Junge zuckte heftig zusammen.
„Wehre dich! „ rief Leevina ihm zu und ihre Stimme drang zu ihm durch.
Wenig später stellte sich heraus, daß sie sich die Mühe hätte sparen können. Das Innere des Wesens, in dem sie gefangen waren, zerfiel, und der Vorgang beschleunigte sich. Nur die äußere, leuchtende Hülle blieb noch bestehen. Aber sie wurde blasser. Dahinter sahen sie immer häufiger Tiere auftauchen, die ihr Gefängnis umschlichen.
„Es stirbt", sagte Kert leise, und Leevina nickte.
„Wenn es tot ist, werden die Tiere es zerreißen", stellte Leevina so gelassen fest, als spräche sie über etwas, das in keinem Zusammenhang mit ihrem Schicksal stand. Sie war zu keiner Empfindung mehr fähig. Die lange Gefangenschaft in der Kuppel der Androiden hatte ihre Kräfte fast aufgezehrt, und dieses Erlebnis gab ihr den Rest.
„Sie werden uns auffressen", murmelte Kert verzweifelt. „Wenn doch nur die Androiden uns endlich hier herausholten."
Aber anstelle der Androiden kamen zwei große, schuppige Wesen, die mit ihren großen, scharfen Krallen die nun nicht mehr leuchtende Hülle zerfetzten. Sie fraßen nichts von dem toten Gebilde, sondern hatten es offensichtlich auf die Kinder abgesehen. Sie holten Kert und Leevina aus dem seltsamen Gefängnis heraus, packten die Kinder mit rüsselähnlichen Auswüchsen, die ihnen rechts und links aus dem Nacken ragten, und kletterten mit unglaublicher Geschwindigkeit an der hier fast senkrecht aufragenden Felswand hinauf. Sie rannten förmlich nach oben, und die Kinder, durch diese überraschende Wendung aus ihrer Lethargie gerissen,
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