0960 - In den Nebeln
von der Knute ihrer Herrin, die die Zerstörung der Schwefelklüfte wie so viele andere nicht überlebt hatte, sah sie die Ereignisse als eindeutiges Zeichen dafür an, dass sie zu Höherem bestimmt war. In ihren Träumen hatte sie sich schon damals oft als Herrscherin gesehen und nun waren sie endlich in Erfüllung gegangen. Von ihren Schwestern hatte keine den Untergang der Schwefelklüfte überlebt. Lea, wie sie sich nun in dieser neuen Phase ihrer Existenz nannte, spürte, dass sie die Einzige ihrer Art war, die noch am Leben war.
Und das zu Recht , dachte sie vergnügt. Keine ihrer Schwestern hatte sich je mit ihren Fähigkeiten messen können. Sie alle wurden als Verführerinnen geboren, doch sie hatte diese Gabe perfektioniert. Sie war der fleischgewordene Traum vieler Sterblicher gewesen, hatte Poeten, Politiker, Päpste, Komponisten, Kriegsherren und Könige verführt und sich an ihrer Lebensenergie gütlich getan, bis sie schließlich ins Verderben gestürzt waren. Doch sie hatte ihnen immer genau das gegeben, was sie gewollt hatten. Das war ihr Talent, ihre Bestimmung. Und genau das tat sie nun auch bei diesen Dämonen. Natürlich war es ihnen nicht bewusst und selbstverständlich starben auch sie, um ihr die Energie zu geben, die sie brauchte. Der Unterschied war nur, dass sie die Dämonen nicht erst verführen und in einem langwierigen Prozess Stück für Stück ihrer Lebensenergie berauben musste. Sie konnte sie direkt durch einen bloßen Gedanken töten und ihre Energie in sich aufnehmen. Außerdem kam hinzu, dass sie die gesamte Energie behalten konnte und sie nicht mehr zurück in die Hölle zu ihrer Herrin bringen musste, die ihr einen Großteil davon wieder genommen hatte, nachdem sie sie so mühselig angesammelt hatte. Nur gut, dass die alte Schreckschraube mit den Schwefelklüften in der Vergessenheit verschwunden war.
Natürlich vermisste sie auch hin und wieder die Herausforderung und den Spaß, den eine altmodische Verführung mit sich brachte, aber momentan gefiel es ihr, zur Abwechslung einmal durch Furcht statt durch Lust zu regieren, denn das war sehr viel dauerhafter, wie sie bald gemerkt hatte.
Doch nun musste sie erst einmal herausfinden, was der Fürst der Finsternis und der Erzdämon Asmodis in der Nebelsphäre wollten, denn die beiden waren sicher nicht bloß auf einen kleinen Spaziergang aus. Sie hatte bisher nur von ihnen gehört, sie aber nie zu Gesicht bekommen, daher war sie neugierig. Sie mochten mächtige Wesen sein, was auch ihre mangelnde Furcht vor der Macht des Nebels erklärte, doch letztendlich stellten sie für sie nur Eindringlinge in ihr Reich dar, die sie aufhalten musste. Sie konnte nicht zulassen, dass jemand ungehindert im Nebel umherwanderte, ohne dass sie kontrollieren konnte, was mit ihm geschah. Aber zuerst würde sie sich ein besseres Bild von beiden machen müssen, um herauszufinden, wo ihre Schwächen lagen.
Mit einem wohligen Seufzer tauchte sie in den Nebel ein, der sie wie eine warme Decke umfing, und machte sich auf die Suche.
***
Schon kurz darauf wurde sie fündig. Die Bewegung der Ranken hatte ihr den Weg gewiesen. Die Pflanzen waren unruhig, denn sie spürten, dass potenzielle Opfer in der Nähe waren, doch sie wagten sich nicht recht an sie heran. Das bewies Lea, dass es sich wohl wirklich um die beiden Dämonenfürsten handeln musste. Vor wem sonst hätten die Pflanzen diesen Respekt gehabt? Vom Dach eines ehemaligen Hauses aus, das nun ein hoher Turm aus kriechendem Grün war, beobachtete Lea die beiden Eindringlinge, die an dem Ort standen, den die Menschen einst Piccadilly Circus genannt hatten. Ein alberner Name, wie sie fand, aber das spielte nun keine Rolle mehr und Namen waren ohnehin flüchtige Dinge, die so schnell wieder vergingen wie Rauch in einem Lufthauch.
Vorsichtig schlich sie sich näher an die beiden Wesen heran. Sie kletterte durch die Ranken, die sie bereitwillig gewähren ließen, setzte ihre Klauen geschickt ein, um stets sicheren Halt zu haben und schnell voranzukommen und bewegte sich fast völlig lautlos. Als sie nah genug war, erkannte sie zwei männliche Gestalten, wusste aber sofort, dass einer von ihnen das menschliche Aussehen bewusst angenommen hatte. Das musste Asmodis sein, der berühmt-berüchtigte Erzdämon, von dem sie schon einiges gehört hatte. Nun, da sie ihn sah, spürte sie sofort, dass er sehr mächtig war. Doch sie spürte auch die Schwächen, die man ausnutzen konnte.
So wie alle Männer ,
Weitere Kostenlose Bücher