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0960 - In den Nebeln

0960 - In den Nebeln

Titel: 0960 - In den Nebeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anika Klüver
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die ganze Häuserfassaden bedeckten und dem Bild der alten Stadt so Stück für Stück den technologischen Fortschritt der Menschheit aufzwängten, waren nun selbst verdeckt. Mit grausamer Ironie schien sich die Natur zurückzuholen, was einst ihr gehört hatte - nur dass diese speziellen Pflanzen dämonischen Ursprungs waren und alles andere Leben in der Stadt erstickt hatten, weshalb man in diesem Fall wohl kaum noch von Natur sprechen konnte.
    »Tja, die Stadt ist wohl hinüber«, kommentierte Asmodis ungerührt.
    Fu Long schwieg eine Weile und sagte dann: »Von hier aus führen mehrere Wege weiter. Vermutlich wäre es am besten, wenn wir uns trennen und einzeln weitergehen. Auf diese Weise kommen wir schneller voran.«
    »Ja, klar«, meinte Asmodis. »Bei so einer Aktion ist ja auch noch nie was schiefgegangen. ›Hey, wir sollten uns trennen, dann sind wir allein und allen Gefahren gegenüber viel anfälliger.‹ Du hast wohl noch nie einen Horrorfilm gesehen, was?«
    Fu Long schmunzelte. »Wenn man bedenkt, dass eigentlich wir diejenigen sind, die in einem Horrorfilm die Bedrohung darstellen, klingt dein Argument ganz schön armselig. Hast du etwa Angst im Dunkeln, oder davor, ganz allein mit den großen bösen Pflanzen zu sein?« Vermutlich war es nur eine optische Täuschung, aber in dem durch den Nebel gedämpftem trügerischem Licht sah es so aus, als würden Blitze aus Asmodis Augen zucken. Fu Long war jedoch nicht weiter beeindruckt.
    »Wie du willst, dann gehen wir eben getrennt weiter. Dann habe ich auch endlich mal ein wenig Ruhe, denn dein ewiges Geplapper geht einem auf Dauer ganz schön auf die Nerven. Aber beschwer sich nachher nicht, wenn doch was passiert. Und glaub ja nicht, dass ich dir helfe, wenn du in Schwierigkeiten gerätst. Wir treffen uns hier in zwei Stunden wieder, aber bis dahin ist jeder auf sich allein gestellt, klar?«
    »Ich werde die Zeit ohne dich wohl irgendwie überstehen«, sagte Fu Long und verneigte sich kurz. Asmodis wunderte sich, wie der Vampir es schaffte, dabei ein ernstes Gesicht zu bewahren.
    Da ziehe ich die Gesellschaft der Pflanzen doch glatt vor.
    ***
    Die Luft über der Dämonenkolonie am Rande des Nebels trug Schwingungen mit sich, die großes Unheil verkündeten.
    Als hätte jemand ein universelles Zeichen gegeben, machte sich auf einmal Unruhe unter den Bewohnern breit. Kleine, koboldartige Wesen huschten nervös hin und her, alles, was Flügel hatte, flatterte wie eine Gruppe aufgescheuchter Hühner herum, und der ganze Pulk drängte sich nach und nach immer weiter zusammen, so als würden sie die Sicherheit der Menge suchen. Ihre einzige Chance bestand in der Masse. Wie ein Schwarm kleiner Fische, wenn sich ein Raubfisch nähert, oder eine Herde Antilopen, die die Löwinnen im hohen Gras wittern, wussten sie, dass es einen von ihnen mit ziemlicher Sicherheit treffen würde. Jeder hoffte nur, dass es dieses Mal wieder einer der anderen sein würde.
    Die Luft teilte sich, und die Feuer flackerten, als eine Gestalt herannahte wie eine alles vernichtende Sturmwolke. Gewaltige schwarze Schwingen verdeckten das schwache Mondlicht, und dann landete auf einer der felsigen Erhebungen des Steinbruchs eine Kreatur, die für viele der Dämonen bereits der einzige Albtraum geworden war, den sie noch kannten. Auf den ersten Blick hätte man sie für den Bastard eines Drachen und einer Harpyie halten können, denn sie vereinte grausame Schönheit, tödliche Eleganz und entsetzlichen Schrecken in sich wie kaum ein zweites Geschöpf. Ihr nackter Körper war zum Teil mit pechschwarzen Federn und zum Teil mit dunkler, ölig glänzender Haut bedeckt. Die intensive Schwärze schien sich selbst zu verschlucken und verlieh den Konturen des Körpers eine seltsame Unberechenbarkeit, wodurch sich die Proportionen der Kreatur ständig zu verändern schienen.
    Die riesigen Schwingen legten sich wie ein Umhang um ihre Schultern, wirkten in dieser Position aber keinesfalls weniger bedrohlich als in ihrem ausgebreiteten Zustand, denn die spitzen, rasiermesserscharfen Zacken an ihren Rändern konnten jederzeit eingesetzt werden, um tiefe Wunden in ungeschütztes Fleisch zu reißen. An den langen Klauen klebte trockenes, verkrustetes Blut und der verführerische weibliche Schmollmund, der in diesem schrecklichen Gesicht deplatziert und gleichzeitig seltsam angemessen wirkte, war mit frischem Blut beschmiert, als hätte die Kreatur sich soeben an den Innereien irgendeiner armen Seele

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