0961 - Der Fluch des Kobolds
fuhr langsam. Er hatte auch die Seitenscheibe nach unten fahren lassen, so daß die warme, feuchtschwüle Aibon-Luft das Innere durchwirbeln konnte.
Es passierte nichts. Suko atmete trotzdem nicht auf, denn er wußte, daß in dieser Welt noch einige böse Überraschungen auf ihn warteten. Und er fragte sich auch, wie es seinem Freund John Sinclair ergangen war, den die Aibon-Magie nicht erwischt hatte…
***
Direkt neben Jane Collins hörte sie ein hechelndes Atmen, und sie fragte sich, wer das war. Ein Hund stand bestimmt nicht neben ihr. Es war auch kein Hund, sondern eine weibliche Person mit roten Haaren, einer blassen Haut und einem Gesichtsausdruck, der ein tiefes und ungläubiges Staunen zeigte.
Muriel Shannon hatte Janes Kopfdrehung mitbekommen. Jetzt streckte sie ihre linke Hand aus, um das Handgelenk der Detektivin zu umklammern. »Das ist unmöglich, Jane. Das kann nicht sein. Ich - nein, wir befinden uns in einem Traum…«
»Es ist kein Traum.«
»Dann sehe ich das tatsächlich?«
»Ja.«
Jane war nicht so überrascht wie ihre Begleiterin, auch wenn sie noch immer staunte, aber sie hatte damit gerechnet, denn sie kannte sich in der Magie aus. Sie wußte, daß es Vorgänge gab, über die man besser nicht nachdenken, sondern sie einfach nur hinnehmen sollte, denn mit der Logik kam man dabei nicht weiter.
Sie standen am Ortsrand von Beragh. Diesen Ort kannten sie. Da stimmte jedes Haus, da war alles vorhanden.
Nur der Friedhof, die Kapelle und auch Muriel Shannons Haus fehlten, ansonsten war alles da. Nur standen die Häuser in einer anderen Umgebung. Es gab auch keine Vorgärten, keine Gassen, keine Pfade, kein Zäune um die Grundstücke herum. Der Ort selbst war wie neu in einem kleinen Tal auf der grünen Wiese aufgebaut worden. Über ihm schwebte kein grauer Himmel mehr, sondern der des Landes Aibon, der aussah wie eine türkisfarbene, straff gezogene Decke.
Keine Sonne, keine Sterne, kein Mond. Und trotzdem war Licht vorhanden, auch wenn es nicht so intensiv war wie das auf der Erde.
Aber es gab das Licht, und es breitete sich wie ein großer Teppich über dem Land aus.
Jane spürte den harten Druck der Hand. Ihre Freundin stand noch immer unter Schock. Es war ihr nicht möglich, auch nur ein Wort zu sagen, aber Jane wollte nicht außerhalb des Ortes stehenbleiben, sie mußte nach Beragh hinein, denn sie dachte nicht an die Häuser, sondern an die Bewohner.
Waren sie da, oder hatten sie sich auf dieser magischen Reise aufgelöst? Alles mußte sie leider in Betracht ziehen, denn noch zeigte sich niemand.
Als sie Muriel anzog, setzte sich die Lehrerin auch in Bewegung. Sie murmelte etwas vor sich hin, sie lachte dabei und weinte zugleich, während sie den Kopf schüttelte. Jane schnappte ein paar Namen auf, wahrscheinlich die Namen der Familien, die in Beragh lebten.
»Wir werden so schnell wie möglich nachschauen, was mit diesen Menschen geschehen ist«, versprach Jane. Es sollte so etwas wie ein Trost für Muriel sein.
»Es ist bestimmt niemand da, Jane.«
»Doch, in den Häusern.«
»Meinst du wirklich?«
»Ja.«
»Und dann?«
Jane lächelte. »Das kann ich dir nicht sagen, Muriel. Wir werden uns jedenfalls überraschen lassen.«
»Ja, das müssen wir wohl.«
Etwa fünfzig Schritte hatten sie bis zum ersten Haus zurückzulegen, und Muriel sprach mit leiser Stimme den Namen der Familie aus, die dort lebte.
»Das sind die McNeals«, sagte sie. »Vater, Mutter, zwei Kinder und ein Großvater.«
»Kennst du sie?«
»Ja.«
»Dann werden wir auch mit ihnen reden können, Muriel, da bin ich mir sicher.«
»Aber ich nicht, Jane. Tut mir leid.«
Die Detektivin schwieg. Sie wollte Muriel nicht zu große Hoffnungen machen.
Denn um so tiefer würde die Enttäuschung sein, wenn es nicht klappte.
Sie schaute sich den Himmel an. Ja, er war glatt, anders von der Farbe, aber er war auch belebt, denn sie entdeckte Vögel, die ihre Kreise über dem Ort zogen.
Vögel?
Jane blieb stehen, um die Wesen genauer zu betrachten. Für Vögel waren diese fliegenden Tiere einfach zu groß. Die Spannweite ihrer Flügel konnte dem neutralen Betrachter schon Furcht einjagen, denn sie überragte selbst die eines Kondors.
»Was ist das?« Auch Muriel hatte die Tiere jetzt gesehen, die sich noch in einer bestimmten Höhe hielten und die Welt unter ihnen beobachteten.
»Es sind Aibon-Wächter. Guywanos Vasallen.«
»Bitte?« flüsterte Muriel. »Von was redest du da, Jane? Habe ich dich richtig
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