0965 - Die Sporenschiffe
hatte. Es lag schon sehr lange zurück daß sie sich so gut amüsiert hatte. Die Askosaner verstanden es zu leben.
Anderntags fragte sich Maina freilich, ob diese Einstellung einem Konzept genügen durfte. Wo blieb ES bei einem Leben in Müßiggang? Sie vermied es jedoch, Dalin oder Clara diese Frage zu stellen.
„Wo findet das Treffen statt?" erkundigte sie sich statt dessen.
„In der größten Siedlung unseres Landes", antwortete Dalin.
„In Redepunkt, wie wir den Ort genannt haben. Als sich der Trend abzeichnete, daß von überall Konzepte in unser Gebiet kommen würden, um sich hier zu versammeln, da haben wir die Siedlung geräumt und für diesen Zweck zur Verfügung gestellt. Wir haben geglaubt, daß genügend Unterkünfte vorhanden wären, um alle hierher strömenden Konzepten Platz zu bieten. Aber inzwischen mußten wir schon eine große Zeltstadt errichten. Mit diesem Ansturm hat wohl niemand gerechnet."
„Das zeigt, wie ernst die Konzepte die Angelegenheit nehmen", sagte Maina. Sie konnte es kaum mehr erwarten, den Treffpunkt zu erreichen.
In der kommenden Nacht fanden sie bei Leuten Aufnahme, die mit Dalin und Clara bekannt waren. Das Haus lag etwas abseits des Weges, so daß ihre Ruhe nicht durch den Pilgerstrom gestört wurde, der auch in der Nacht nicht abriß.
Als Maina vor dem Schlafengehen noch einmal vor das Haus trat, sah sie in der Ferne eine sich bewegende Schlangenlinie von Lichtern. Das war der Fackelzug der Pilger.
Clara trat neben sie und sagte: „Komm zu Bett, Maina. Wir haben noch einen ganzen Tagesmarsch vor uns und müssen morgen ausgeruht sein."
„Wie könnt ihr nur so tun, als gäbe es für uns Konzepte überhaupt keine Existenzprobleme", sagte Maina verständnislos.
„Komm jetzt", war alles, was Clara dazu zu sagen hatte.
Maina folgte ihr ins Haus und zog sich auf ihr Zimmer zurück. Aber sie fand keinen Schlaf. Der Anblick des nächtlichen Pilgerzugs hatte sie in eine seltsame Stimmung versetzt. Sie war erregt und fieberte der bevorstehenden Konferenz entgegen. Es hing so viel für sie alle davon ab ... Und trotzdem gab es noch Konzepte, die gedankenlos in den Tag hineinlebten. Sie konnte die Askoner einfach nicht verstehen. Dalin und Clara suchten die Konferenz nicht auf, weil sie sich für ES engagierten, sondern für sie war das eine Art Volksfest.
Maina war aufgeputscht und konnte ihren Denkprozeß einfach nicht abstellen, und ehe sie sich’s versah, begann die Kunstsonne bereits wieder im neuen Tag zu erstrahlen.
Bevor sie aufbrachen, entschieden sich ihre Gastgeber, sich ihnen anzuschließen. Die Familie bestand aus sieben Mitgliedern, die jedoch alle gleichaltrig waren. Maina merkte sich nur den Namen des Oberhaupts, eines jugendlich wirkenden und vor Aktivität überschäumenden Mannes namens Klever. Er legte größten Wert auf Körperertüchtigung und übte sich in einem Dutzend Disziplinen der Leichtathletik. Kaum zu glauben, daß er ein Vierzehner-Konzept war.
„Wir werden etwas zur Auflockerung des Programms beitragen", erklärte er. „Einige Freunde aus dem Sportklub haben ihr Kommen angesagt, so daß wir genügend Bewerber für Sportkämpfe zusammenbekommen.
Bestimmt können wir auch Konzepte aus anderen Ländern gewinnen und eine kleine Olympiade aufziehen. Was sollen deine strafenden Blicke, Maina? Ich bin sicher, daß ES unseren Lebensstil mit Augenzwinkern akzeptiert.
Man muß ja nicht alles gleich so tierisch ernst nehmen."
„Wenn alle Konzepte so dächten wie ihr Askosaner ...", begann Maina, vollendete den Satz jedoch nicht.
Es hatte keinen Sinn, mit Leuten wie Klever über Dinge mit Tiefgang zu streiten.
„Dann würde es nur glückliche Konzepte auf Eden II geben", sagte Klever.
Das war seine Lebensphilosophie.
Maina nahm sich vor, sich deswegen nicht mehr aufzuregen. BeimRedepunkt würde die Entscheidung fallen.
*
Um die ursprüngliche Siedlung, die schon fast städtische Ausmaße hatte, war ein breiter Ring aus Zelten errichtet worden, die nur nach Westen hin offen war. Dort befand sich das Freigelände, auf dem die Versammlungen stattfanden.
Es herrschte ein perfektes Chaos. Es war niemand da, der eine Programmkoordination zu erstellen versuchte. Maina erfuhr, daß auf dem Freigelände oft ein halbes Dutzend Konzepte verschiedener Abstammung gleichzeitig ihre Vorträge hielten.
Zudem hatten sich kleinere Gruppen gebildet, die die Versammlungen störten und durch recht unterschiedliche Methoden Anhänger zu gewinnen
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