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0965 - Die zweite Unendlichkeit

0965 - Die zweite Unendlichkeit

Titel: 0965 - Die zweite Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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beantwortete.
    Die Gruppe aus seltsamen Schicksalsgefährten hatte den Ursprung des eigenartigen Summens erreicht: eine offen stehende Luke, durch die man tief in den Bauch des mysteriösen Gebäudes gelangte. Sie waren Gänge hinuntergeeilt, um mehr Ecken gebogen, als Zamorra hatte zählen können, und schließlich an einer hölzernen Treppe angelangt, deren abgewetzte Stufen so wenig vertrauenerweckend waren, dass kein vernünftig denkender Mensch sie freiwillig betreten hätte. Am oberen Ende der nach unten führenden Stiege hatte eine kleine Laterne gehangen, als wäre sie extra für die Besucher dort befestigt worden. Nicole hatte sie genommen, sie entzündet, und dann waren alle hinabgestiegen, wie es ganz offensichtlich von ihnen erwartet wurde.
    Wie es die subtilen, aber unzweideutigen Regeln des Spiels verlangten.
    Und nun standen sie in einem Leichenmeer.
    Was immer das hier auch war, es musste der Keller des Gebäudes sein. Und er schien kein Ende zu nehmen. Stützstreben aus dunklem Holz hielten die niedrige Decke, die aus den gleichen Bohlen zu bestehen schien, wie in jedem anderen Raum. Die Wände des Kellers bestanden aus kaltem, trockenen Erdreich und porösem Naturstein. Armdicke Wurzeln zogen sich durch die Erde und weckten unangenehme Erinnerungen an die Wandtentakel von vorhin, regten sich aber nicht. Im Gegenteil: Sie wirkten so tot wie die Körper vor den Gefährten.
    Vor und unter ihnen.
    »Was im Namen aller Gottheiten des Pantheons…« Willoughby Smith starrte in den Raum, den Nicoles Laterne nur mühsam erhellte. »Ist das ein Massengrab?«
    Überall lagen menschliche Überreste. Zamorra sah Skelette in Ritterrüstungen und der Montur römischer Legionäre, halb verweste Geschäftsleute in dunklen Anzügen und mit ledernen Aktenkoffern, Turbanträger, Wikinger, Indianer, Feuerwehrleute, Doktoren, Mongolen. Der gesamte Boden des Kellers war mit ihnen übersät, flächendeckend und allem Anschein nach meterhoch. Aus allen Epochen der Weltgeschichte lagen hier Tote versammelt, neben- und übereinander. Aufgeschichtet.
    Smith nahm sich einen Speer aus der Knochenhand eines Legionärs und machte ein paar Schritte ins Raumesinnere, während der Rest der Gemeinschaft noch starr vor Staunen und Entsetzen auf den untersten Treppenstufen ausharrte.
    Selbst Kyrgon hielt sich die Hand vor den Mund, denn der Gestank war unerträglich. Auch die Sirene, die hier unten lauter als überall sonst war, zehrte sichtlich an seinen Nerven. Zamorra konnte das mitfühlen; ihm und sicher auch den anderen ging es nicht anders.
    »Ich fasse es nicht«, murmelte Willoughby, während er seinen Erkundungsgang fortsetzte. »Wir haben ein riesiges Grab entdeckt. Ich schätze, dies sind alles unsere Vorgänger. Protagonisten früherer Spieldurchgänge.« Es knirschte unter seinen Füßen, so vorsichtig er auch auftrat.
    Ellie verzog das Gesicht und vergrub es Schutz suchend im Overall ihres Bruders. Dieser schluckte. »Aber das ist noch nicht alles«, sagte er mahnend leise und runzelte die Stirn. Schweißperlen der Anstrengung standen darauf. »Ich erlausche hier etwas.«
    Zamorra reagierte sofort. »Die Körper?« Erinnerungen an die Szene in der Schänke wurden wach. Wenn auch hier die Toten aufstanden und die Gefährten angriffen, hatten sie keine Chance mehr. Dafür waren es schlicht zu viele potenzielle Zombies.
    Doch Ben schüttelte den Kopf. »Ich… Ich glaube nicht, Professor. Was ich lausche , ist eher ein Geist denn mehrere. Aber ein großer. Ich kann's nicht besser beschreiben.«
    Dann geschah es.
    Mit einem lauten Knall, der von den Leichen und Erdwänden widerhallte, schlug die Luke über Zamorra und den anderen zu. Und im gleichen Moment begann der eigentliche Wahnsinn.
    Irgendetwas lebte dort, unter dem Meer aus Leichen! Etwas Großes! Blitzschnell kam es näher, wand sich hin und her, und mit jeder Bewegung warf es die Toten über sich auf, wie ein Maulwurf den Rasen. Was immer es war, es war der Hai dieses entsetzlichen Meeres. Daran hegte Zamorra keinen Zweifel.
    »Schnell, raus, alle wieder raus!« Nicole gab den schockstarr dastehenden Campbells einen Schubs, drängte sie zurück die Stufen hinauf. Doch die Luke war zu.
    »Schneller«, flehte Ellie. »Es kommt!«
    Zu dritt pressten sie sich gegen die Falltür, ächzten, stöhnten. Das Ding rührte sich keinen Millimeter.
    »Lasst mich mal«, brummte Kyrgon, warf sich mit aller Kraft gegen das so schwach aussehende Holz - und flog taumelnd zurück und

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