0966 - Die Angst der Psychonautin
Hier aber ging es um einen Menschen, wobei wir nicht mal wußten, ob dieser Mensch noch lebte. Es stand fest, daß wir es mit einer Frau zu tun bekommen würden.
Suko hatte die Tür inzwischen aufgezogen und sich ebenso geärgert wie ich. Denn die Geräusche ließen sich nicht vermeiden. In der Stille kamen sie uns zu laut vor, aber es klappte alles. Niemand schien sie gehört zu haben.
Um die Brücke hatten wir uns nicht gekümmert. Wichtig war einzig und allein der Bauch dieses Schiffes, in den wir eintauchten und einen breiten Niedergang hinabstiegen, der uns zu den großen Laderäumen führte. Manch sensible Gemüter hätten sicherlich von einem Abstieg in die Hölle gesprochen, denn wir ließen die Kühle der Nacht hinter uns und gelangten in eine mit dumpfer Luft gefüllte Tiefe, die von den total verdreckten Lampen nur spärlich beleuchtet wurde.
Die Tiefe schluckte uns. Schotts waren geöffnet worden, so daß wir die hallenartigen Laderäume durchwandern konnten. Bis auf einige Restposten waren sie leer. Die Ladung hatte man gelöscht, die giftigen Chemikalien waren sicher untergebracht worden.
Verschiedene Gerüche umgaben uns. Keiner davon konnte uns gefallen.
Es war keine Wohltat für die Nase. Je tiefer wir kamen, um so schlechter wurde die Luft. Auch die Notbeleuchtung verlor sich immer mehr. Wir sahen uns gezwungen, die mitgebrachten Lampen einzuschalten. Starke Stableuchten, die nur wenig Platz benötigten.
Geisterhaft huschten die Kegel durch den Schiffsbauch. Während Suko nach unten leuchtete - wir befanden uns noch immer auf den Metallstufen - ließ ich den Schein in die Leere hineinwandern, wobei er dann und wann auch über die Innenwände strich.
Es war schon etwas unheimlich hier unten. Hallenartige, leere Räume von beachtlicher Größe.
Bisher hatten wir das Glück gehabt und keinen Menschen gesehen. Hoffentlich blieb das so. Zwar wurden alle Mitglieder der Besatzung verhört, aber hundertprozentig sicher konnten wir nicht sein, denn es gab immerhin noch das Versteck, von dem der Matrose gesprochen hatte.
Von unseren Kollegen war es nicht gefunden worden.
In der Tiefe, dicht über dem Boden, war die Luft noch schlechter. Sie stank nach Öl und Maschinenfett, obwohl wir uns nicht in der Nähe des Maschinenraums befanden, aber auch nach den Chemikalien. Einige Fässer waren möglicherweise nicht ganz verschlossen gewesen, denn unsere Nasen erreichte ein stechender Geruch.
Suko war vorgegangen. Er ließ auch die letzten Stufen hinter sich und wartete auf mich.
Ich hatte zwar keine Schwierigkeiten mit dem Hinabsteigen, aber mir taten noch immer die Knochen weh. Es lag erst zwei Tage zurück, da war ich aus einer gewissen Höhe von einem Killerbaum zu Boden gefallen, hatte mir zwar nichts gebrochen oder verstaucht, aber schon einige blaue Flecken geholt. Ich hatte die Stellen mit einer speziellen Flüssigkeit eingerieben, so daß ich sie jetzt kaum noch spürte.
Suko stand auf dem Boden. Es war feucht hier unten, aber auch richtig naß an gewissen Stellen, wo sich Pfützen gesammelt hatten, deren Oberflächen ölig schimmerte.
»Jetzt sind wir also hier«, sagte Suko und wartete darauf, daß ich ihm eine Antwort gab.
»Augenblick, Alter.« Ich griff mit der freien Hand in die Seitentasche meiner Jacke und holte einen Zettel hervor. Auf ihm hatte ich mir die Aussagen des Matrosen in Stichworten notiert. Wichtig war natürlich die Wegbeschreibung durch den Schiffsbauch.
Wir mußten bis zum Heck durchgehen. Dort würden wir mit etwas Glück eine Tür finden.
Diesmal ging ich vor.
Ich hatte es schon erwähnt, es war kein Schott geschlossen. So hatten wir freie Bahn bekommen. Die miese Luft blieb nach wie vor unser Begleiter. Ich freute mich jetzt schon darauf, draußen wieder frische Luft atmen zu können.
Sehr leise brauchten wir nicht zu sein. Trotzdem bemühten wir uns darum, und das Licht unserer starken Taschenlampen strahlte in die Finsternis hinein. Trotz der Nässe hatte sich Staub halten können. Die unzähligen Partikel glitten in die Lichtfächer, wo sie zirkulierten wie winzige Glühwürmchen.
Bald hatten wir das Heck des Schiffes erreicht. Hier mußte es sein.
Ich bewegte mich auf die Backbordseite zu. Den Zettel mit meinen Notizen hielt ich in der Hand. Dann leuchtete ich die Innenwände ab - und sah auch die runden Köpfe der Nieten, die die riesigen Metallteile zusammenhielten. Langsam ließ ich den Strahl von oben nach unten gleiten und zählte die Nieten dabei
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