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0966 - Die Angst der Psychonautin

0966 - Die Angst der Psychonautin

Titel: 0966 - Die Angst der Psychonautin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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von der Leiter zu rutschen. Und auch das Licht zitterte, als der Kreis das Gesicht erwischte?
    Sie leuchtete gegen die Stirn.
    Dort sah sie es.
    Es war zwar ein schwacher Abdruck, aber trotzdem genau zu erkennen.
    Er zeigte ein blasses, menschliches, drittes Auge.
    Hilde Cania wußte nicht, wie lange sie gestanden und sich dieses Auge angesehen hatte. Das Gefühl für Zeit war ihr sowieso verlorengegangen.
    Irgendwann kletterte sie die Leiter wieder hinab. Dabei wunderte sie sich über die fremden Laute, bis ihr bewußt wurde, daß sie selbst diese Geräusche ausstieß. Es war eine Mischung aus Jammern und Klagen. Der feste Boden unter den Füßen kam ihr nicht mehr so fest vor. Plötzlich war der Schwindel da, und erst jetzt wurde ihr bewußt, was sie da oben gesehen hatte.
    Und sie hatte auch gesehen, daß dieser Frau die Kehle durchgeschnitten worden war.
    Aus dieser Wunde war das Blut getropft, das eigentlich längst hätte eingetrocknet sein müssen, so wie die Tote aussah.
    Hilde drehte sich schwerfällig um, öffnete ebenso schwerfällig die Speichertür und lief in das Treppenhaus hinein.
    Und dann schrie sie wie noch nie in ihrem Leben!
    ***
    Das Schiff lag bereits seit zwei Tagen im Hafen, aber Suko und ich waren erst vor ungefähr zwei Stunden, etwa gegen Mitternacht, an Bord gegangen.
    Nein, nicht gegangen, sondern geschlichen. Beinahe wie Diebe, denn dieser Einsatz lag an der Grenze zur Illegalität. Da aber Gefahr im Verzug angenommen werden konnte, waren wir vom Gesetz gedeckt.
    Zwar hatte der Zoll unter der eigentlichen Ladung giftige Chemikalien gefunden, deshalb wurden der Kapitän und die Mannschaft auch verhört, aber darum sollten sich die Kollegen kümmern. Für uns war die Aussage eines Matrosen wichtiger gewesen, der von den Ritualtaten gesprochen hatte, ohne allerdings näher darauf einzugehen. Der Mann hatte sich ständig wiederholt; er war einfach nicht davon abzubringen gewesen und hatte auf eine bestimmte Stelle des Schiffes hingewiesen.
    Es fuhr unter griechischer Flagge, kam aber aus Ägypten und wollte in London weitere Fracht aufnehmen. Es war alles etwas undurchsichtig, und wir interessierten uns auch nicht dafür. Der Transport der giftigen Chemikalien war verraten worden. Möglicherweise von demselben Matrosen, der von diesem Unheil auf dem Schiff gesprochen hatte. So intensiv, daß Suko und ich den hoffentlich menschenleeren Kahn mal genauer unter die Lupe nahmen.
    Hoffentlich menschenleer. So genau wußten wir das nicht. Deshalb waren wir auch entsprechend vorsichtig, obwohl wir über das normale Fallreep an Bord gegangen waren.
    Die STAR OF KORSIKA war ein Seelenverkäufer, der nicht nach Farbe, sondern nach Rost roch.
    Niemand hatte uns aufgehalten. Wir konnten auch nichts Verdächtiges entdecken. Auf dem Oberdeck war es ruhig. Nur hin und wieder hörten wir das Klatschen der Wellen, die gegen die Bordwand schlugen, oder Laute, die auf einem Schiff einfach vorhanden sein mußten.
    Da war etwas nicht richtig festgezurrt. Irgendwo knarrte es immer. Da schabte Metall über Metall. Über die Brücke, wo die Antennen schimmerten, flogen zwei Möwen hinweg.
    Die gewaltige Ladeluken des Frachters waren geschlossen, aber wir mußten unter Deck, denn nur dort konnten wir das finden, worauf man uns hingewiesen hatte.
    »Sie sterben. Sie werden alle sterben. Sie sollen ausgelöscht werden. Man muß sie retten…«
    Wir hatten die Worte des Matrosen noch in guter Erinnerung. Auf unser Nachfragen hin hatte er schließlich Einzelheiten berichtet, die allerdings nicht viel weiterhalfen. Er hatte davon gesprochen, daß auf der ganzen Welt das große Sterben beginnen würde. Eine Endzeit-Vision, der wir zumindest in London nachgehen wollten. Ob der Mann mit der gesamten Welt recht behielt, stand in den Sternen. Auch wollten wir daran nicht denken. Wir hatten uns vorgenommen, ihn noch einmal zu verhören, wenn dieser Einsatz hier vorbei war.
    Suko war stehengeblieben. Ich schaute auf seinen Rücken. Das dunkle Leder seiner Jacke schimmerte. Es war kühl geworden. Vor unseren Lippen kondensierte der Atem. Irgendwo tropfte Wasser auf das Deck.
    Jeder Tropfen pitschte auf.
    Suko drehte den Kopf und fragte nur: »Okay?«
    »Ja, meinetwegen.«
    Es spielte wirklich keine Rolle, an welcher Stelle wir in den Bauch des Schiffes stiegen. Wichtig war der Fund, und den hatten die Kollegen übersehen. Man konnte ihnen keinen Vorwurf machen, denn sie hatten nach Schmuggelwaren gesucht und nicht nach Menschen.

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