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0968 - Die Greise von Eden

0968 - Die Greise von Eden

Titel: 0968 - Die Greise von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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Wissen, das er mit der Jahreszahl verband, zurück. »Was meinst du?«
    »Willst du mich weiterhin als Feind betrachten?«
    Das fragte er sich schon, seit er den Raum betreten hatte. »Wenn es nur eine Frage des Wollens wäre…!«
    »Ich würde zu deinem Feind - wenn ich Anhaltspunkte dafür hätte, dass du egoistische und für deine Mitmenschen schädliche Ziele verfolgst«, sagte sie. »Aber offen gestanden finde ich dafür keinen Anhaltspunkt. Du bist ein Mann der klaren Worte - mit einem Geheimnis, das dich noch interessanter macht.«
    »So schätzt du mich ein?«
    Sie nickte. »Und du mich?«
    »Hm«, sagte er.
    »Hm?«
    »Auch ich glaube nicht, dass du mir oder irgendjemandem Schaden zufügen willst. Es sei denn -«
    »Es sei denn«, sagte sie, »irgendjemand hat vor, mir Schaden zuzufügen.«
    »Das nennt man dann wohl Notwehr.« Er seufzte. »In Ordnung, reden wir offen. Reden wir über den Schrecken der Vergangenheit, der diese Stadt neu zu überrennen droht. Aber sein vorrangiges Ziel scheint es zu sein, sich das zurückzuholen, was er einst verlor.«
    Bevor Bayan weitersprechen konnte, wurde die Tür aufgerissen.
    Wafa stürmte herein. Er würdigte die alte Frau keines Blickes.
    »Komm! Komm schnell!«, keuchte er.
    Bayan schenkte ihm sofort seine volle Aufmerksamkeit. »Sag nicht, dass auch dein Junge…«
    »Noch nicht! Noch ist er da! Aber - etwas ist ins Haus eingedrungen! Komm! Gemeinsam können wir vielleicht verhindern, dass…«
    Bayan ließ ihn nicht ausreden. Er scheuchte Wafa mit den Händen. »Verlieren wir keine Zeit! Geh voran. Zeig mir, wo es ist!«
    Er wartete, bis Wafa auf dem Gang war und trat selbst durch die Tür.
    »Kann ich mitkommen?«, holte ihn die Stimme der Zauberin ein.
    Bayan verzichtete auf eine Antwort. Aber er hörte, wie die alte Frau ihm folgte, durch den dämmrig kühlen Korridor, die Treppe hinauf.
    Und dann sträubten sich ihm sämtliche Haare am Körper, durchpulste ihn das Echo eines Schmerzes, den ein anderer Saleh vor vielen Hundert Jahren zum ersten Mal erfahren hatte.
    ***
    Nele überkam das beklemmendste Gefühl ihres unfassbar langen Lebens.
    Während sie sich an Wafas und Bayans Fersen heftete, schien die Luft um sie herum schwerer, dichter und doch zugleich auch seltsam leerer zu werden. So als mangele es plötzlich an Sauerstoff, weil der von einem Gas ersetzt worden war, das für Menschen-Lungen kaum zu »verdauen« war. Neles Bronchien rasselten bei jedem Atemzug. Bayan, der bereits die Treppe hinauf hetzte, schien mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen zu haben. Sie hörte ihn husten, als löse sich in den Tiefen seines Rachens ein Geröllberg.
    Wafa war schon außer Sicht, oben am Ende der Stufen.
    Neles Herz stolperte, und auch ihre Füße kamen ins Straucheln. Das absurde Gefühl, dass eine unsichtbare Hand nach ihr griff und ihr das, was sie alle die Jahrhunderte am Leben erhalten hatte, wie ein brüchig gewordenes Gewand vom Körper zu reißen versuchte, ließ sie für einen Moment in einen Abgrund starren, der der Vorgeschmack auf das Jenseits sein mochte.
    Sie keuchte, fuchtelte mit den Armen, kämpfte um ihr Gleichgewicht und schaffte es, einen Sturz zu verhindern.
    Oben am Ende der Treppe hörte sie Bayan fluchen - und ihrem Blick entschwinden.
    Der Raum, in dem sie zu sich gekommen war, lag im Keller des Hauses, das Wafa zu gehören schien. Zalay war zu seinem eigenen geeilt, weil dort dasselbe passiert war wie in Bayans Heim - und nun auch hier. Jemand entführte die Söhne der Saleh-Brüder - jemand, der offenbar über Mittel und Kräfte verfügte, die alles in den Schatten stellten, was Nele war nicht in der Lage, den Gedanken zu Ende zu spinnen.
    Das Haus, dessen Kellerstufen sie gerade empor wankte und sich rechts und links an dem dortigen hölzernen Handlauf abzustützen versuchte, schien sich zu… verbiegen. Es ächzte nicht einfach, es weinte . Jammerte. Als wäre es mehr als nur totem Material geschaffen, auf seine Art lebendig.
    Die Täuschung rührte von dem, was in das Haus gefahren war. Nele spürte eine Präsenz von solcher Dominanz, dass sie selbst in der Lage schien, den Fluss ihrer Gedanken so zu verlangsamen, als wälze sich erkaltende Lava durch irgendwelche Felsrillen.
    Was ist das? Etwas so Starkes!
    Für eine Sekunde hegte sie die Hoffnung, Nikolaus könne - und wenn auf Umwegen - damit zu tun haben. Aber es gelang ihr nicht, eine nachvollziehbare Brücke zu ihm zu schlagen.
    Und letztlich war sie froh darüber, denn

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