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0968 - Die Greise von Eden

0968 - Die Greise von Eden

Titel: 0968 - Die Greise von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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das, was sie spürte, das, was im Haus von Wafa Saleh wütete, war so abgründig zornig , dass es damit alles vergiftete, was ihm auch nur nahe kam.
    Ein Schrei ließ sie auf der Treppe innehalten.
    Und veranlasste sie, umzudrehen, die bereits erklommenen Stufen wieder hinabzusteigen.
    Paul.
    Es war Paul, der in höchster Not schrie!
    ***
    Sie folgte den Hilferufen und gelangte zu einer Tür, die sie eine Minute zuvor achtlos passiert hatte.
    Im Schloss steckte kein Schlüssel, aber die Tür war abgesperrt.
    Nele zögerte keine Sekunde. Sie wechselte in jenen Zustand, in dem sie jede Barriere zu durchdringen vermochte - allerdings machte sie bei der Gelegenheit auch eine völlig neue Erfahrung.
    Die massive Tür ließ sie zwar hindurch schlüpfen, dennoch verlief der Vorgang anders als gewohnt. Nele hatte Widerstand zu brechen. Sie musste sich regelrecht durch das Hindernis hindurch drücken .
    Und als sie auf der anderen Seite heraus kam, fühlte sie sich erschöpft wie nach einem Stundenmarsch.
    Paul bemerkte sie erst, als sie ihre Gabe unterdrückte. Auch durch ihn war sie hindurch getreten, hatte es tun müssen, weil er genau auf der anderen Seite der Tür stand und verzweifelt mit den Fäusten gegen sie zu hämmern begonnen hatte.
    »Beruhige dich!«
    Er fuhr herum.
    »Wie -«
    Unter anderen Umständen hätte er begriffen, wie sie herein gekommen war. Aber er wirkte völlig konfus.
    »Ich bringe dich raus«, versprach sie. Die Wände des Kellerraumes bewegten sich, als blicke man auf die Oberfläche eines vertikalen Ozeans. Immer wieder zeichneten sich beängstigende Strukturen darauf ab, die an runenartige Gemälde erinnerten. Bizarre Szenen kamen und gingen und versuchten sich in den Verstand derer zu wühlen, die sie anstarrten.
    Nele errichtete eine innere Sperre gegen die versuchte Einflussnahme.
    »Nicht hinsehen!«, rief sie Paul zu, dessen Augen magnetisch von den Albtraumwerken angezogen wurden, kaum in der Lage schienen, sich auf Nele zu konzentrieren.
    Er schloss kurz die Augen, sein bebender Körper beruhigte sich etwas. Die geballten Fäuste öffneten sich.
    »Wo sind wir?«, keuchte er. »Und was geht hier vor?«
    »Später«, vertröstete ihn Nele. »Erst mal raus hier!«
    Sie fasste seine linke Hand, die sich eiskalt anfühlte, aber der Kontakt genügte, um ihn in ihre Gabe einzubinden. Für einen Sekundenbruchteil zögerte sie, die Strapazen erneut auf sich zu nehmen, ein festes Hindernis zu durchdringen - doch die Wände bogen sich ihnen entgegen, als würde das, was in ihnen steckte, ihr Vorhaben vereiteln wollen.
    Nele zerrte Paul Hogarth mit sich - und quälte sich durch treibsandartigen Widerstand.
    Völlig ausgelaugt gelangte sie auf die andere Seite - wo es an Paul war, nun ihr zu helfen, sie zu stützen.
    »Nele…!«
    Sie winkte ab, streckte den Arm aus und zeigte zur Treppe.
    Plötzlich riss Hogarth die Augen weit auf. Im selben Moment hatte Nele ein Empfinden, das alles übertraf, was sie zeitlebens kennengelernt hatte. Ein Seufzer rann über ihre Lippen, dann straffte sie sich, fühlte sich wie neu geboren. Im Gegensatz zu Paul, der sie fragend und anklagend anblickte, als wollte er sich vergewissern, dass sein Verdacht stimmte.
    Was hast du getan? , schrien seine Augen.
    Und Nele dachte: Wie konnte das passieren? War… ich das?
    Sie suchte nach Worten der Erklärung, damit er ihr vergeben sollte. »Das - das wollte ich nicht! Ich weiß selbst nicht, wie -«
    »Dann… stimmt es also…« Mehr sagte er nicht dazu. »Weiter! Gehen wir… weiter!«
    Nele war außerstande, sich zu bewegen, obwohl sie sich ausgeruhter und tatendurstiger fühlte als in den Stunden und Tagen davor.
    Aber um welchen Preis?
    Sie hatte Paul von dessen Lebenskraft gestohlen. Über das Wie machte sie sich zwar Gedanken, aber die eigentliche Frage war, wie sie wiedergutmachen konnte, was sie ihm angetan hatte. Die Vorstellung, er könne ihretwegen sterben, setzte ihr stärker zu, als sie es für möglich gehalten hätte. An ihren Fingern klebte so viel Blut, sie hatte so vielen Menschen den Tod gebracht, wenn auch nicht durch eigene Hand…
    »Komm schon!«
    Er schien seine letzten Kräfte zu mobilisieren. Wenigstens hatte sie ihm noch etwas davon übrig gelassen.
    Während sie nach seinem Handgelenk griff, hatte sie das Gefühl, mit ihrem Geist in einem anderen zu versinken - als lege sie den Kopf in ein daunenweiches, dickes Kissen.
    Aber dieses Gefühl war nur einen winzigen Moment lang angenehm, dann zeigte

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