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0968 - Die Greise von Eden

0968 - Die Greise von Eden

Titel: 0968 - Die Greise von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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konnte, dass sich das Mysterium wiederholte: Nele hörte die arabischen Worte, und etwas in ihrem Kopf ließ sie verstehen, obwohl sie der Sprache nicht mächtig war.
    »Warst du bei denen, die mich brutal überfielen? Eine alte, schwache Frau?«
    Zalay zögerte. Dann schüttelte er den Kopf. »Meine Brüder waren dabei. Bayan und Wafa. Sie brachten dich und deinen Gefährten in mein Haus. Ich passe nur auf dich auf.« Ein Ausdruck, der Nele fast wie Respekt vorkam, legte sich über seine gut geschnittenen, markanten Züge. »Uns täuschst du nicht«, sagte er. »Du magst alt sein - schwach bist du nicht. Wir haben dich nur anhand deiner Stärke gefunden.«
    »Anhand meiner Stärke? Was soll das heißen?« Nele zerrte an der Fessel. »Mach das Ding ab!«
    Zalay schüttelte den Kopf. »Das wäre ein Fehler.«
    »Es ist ein Fehler, es nicht abzumachen.«
    Er zuckte mit den Achseln, offenbar unbeeindruckt.
    Nele spürte die kalte Wut in sich aufsteigen. Sie hatte längst versucht, in jenen Zustand zu wechseln, der es ihr ermöglicht hätte, die Hand einfach durch die Fessel hindurch gleiten zu lassen - vergeblich. Und sie wurde das dumpfe Gefühl nicht los, dass ihr Versagen an genau dieser Fessel lag.
    »Bayan muss jeden Moment zurückkehren. Er will dir persönlich erklären, warum du hier bist.«
    »Ist er dein Bruder oder dein Herr?« Nele verlieh ihrer Stimme absichtlich einen verächtlichen Tonfall.
    »Er ist der Älteste. Und damit der, der das Los am längsten von uns trägt.«
    »Was für ein Los?«
    Zalay sah sie vielsagend an.
    Okay , dachte Nele. Ich hab's ja kapiert. Du bist nicht die Auskunftei. Ich muss mich gedulden.
    »Da du so gerne plauderst - erzähl mir Dinge über dich«, sagte der Jordanier. »Du bist eine bemerkenswerte Frau. Kräften wie deinen sind wir noch nie zuvor begegnet.«
    Er meinte offenkundig ihre Fähigkeit, sich der Wahrnehmung anderer auf magische Weise zu entziehen. Nur dass ebendiese Fähigkeit vergangene Nacht offenbar gründlich versagt hatte.
    »Magie scheint euch nicht fremd zu sein. Ihr wart gut vorbereitet.«
    Er musterte sie in einer Weise, die alles bedeuten konnte. Dann stellte er eine Frage, für die Nele keine Erklärung hatte. »Hast du etwas mit Ramis Verschwinden zu tun? Bayan scheint das zu glauben. Und ich fürchte, er wird wenig Rücksicht walten lassen, dir die Wahrheit zu entlocken.«
    »Wer ist Rami?«, fragte Nele ruhig.
    »Sein Sohn.«
    »Und was ist mit seinem Sohn? Verschwunden, sagtest du? Meinst du ›entführt‹?«
    »Gib dich nicht so unwissend.«
    »Ich bin unwissend - zumindest was das angeht. Aber eine andere Frage: Was ist mit meinem Begleiter? Was habt ihr mit ihm gemacht? Wurde er auch von euch verschleppt und wird festgehalten?«
    »Paul Hogarth?«
    Sie nickte.
    »In welcher Beziehung steht ihr zueinander?«
    »Wir sind Freunde.«
    Täuschte sie sich oder erleichterte Zalay diese Antwort? Hatte er etwa ernsthaft erwartet, sie und Paul könnten mehr als bloße Freunde sein? Sie wollte lieber nicht nachfragen.
    »Freunde… auf Abenteuerreise?«
    »Was wäre daran so seltsam?«
    »Dass es nicht die Wahrheit wäre.«
    »Eine weitere Unterstellung.«
    »Du unterschätzt uns, Nele Großkreutz. Wir mögen nie zuvor deinesgleichen begegnet sein, aber wir sind nicht hilflos.« Sein Blick flackerte kurz, als würde weit hinten in seinem Kopf etwas nisten, das die Behauptung Lügen strafte. Dann fuhr er fort: »Wir wurden von Kindesbeinen darauf vorbereitet, dass es irgendwann passieren könnte. Die Wiederkehr -«
    Von irgendwoher erklangen Schritte. Zalay biss sich auf die Unterlippe.
    »Es ist soweit«, sagte er.
    »Was ist soweit?«
    »Bayan. Er kommt.«
    ***
    Während Nele darauf wartete, dass die Tür sich öffnete, wurde ihr bewusst, immer noch keine Antwort auf ihre Frage erhalten zu haben, was aus Paul geworden war. Sie sorgte sich um ihn. Die Bande zwischen ihnen waren längst stark genug, um ihr sein Schicksal nicht egal sein zu lassen.
    Dann schwang die Tür auf, und der Mann, der Nele Stunden zuvor überwältigt hatte, trat ein. Sein Gesicht hatte sich in ihr Gedächtnis gebrannt, sie hätte ihn unter Millionen erkannt.
    »Ah, die Zauberin«, begrüßte er sie - genau wie bei seinem Bruder Zalay funktionierte die »Übersetzungsmaschine« in Neles Kopf perfekt.
    Und offenbar hatte er auch keine Mühe, sie zu verstehen, obwohl Nele deutsch sprach und sich gar nicht erst die Mühe machte, nach einem Idiom zu suchen, das sie beide irgendwann

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