0968 - Ritter, Blut und Teufel
Woge, als ich daran dachte. Aber es gab kein Zurück. Es stimmte leider, da konnte ich die Dinge drehen und wenden, wie ich wollte.
Die frische Tinktur tat meinem malträtierten Knöchel gut. Er hatte in der letzten Zeit zuviel aushalten müssen, und jetzt wollte ich ihm bis zum Morgen Ruhe gönnen.
Ob ich sie fand, stand in den Sternen.
Die Jacke zog ich aus, legte auch die Waffe ab und ließ mich nach hinten fallen.
Da ratterte wieder das Telefon los. Diesmal war ich schneller und riß den Hörer an mich. Ich wußte sofort, wer da etwas von mir wollte. Meinen Namen ließ mich der Anrufer erst gar nicht nennen. Die Stimme bestand wieder nur aus einem bösen Zischeln, und es lag auch eine gewisse Wut als Unterton darin. »Diesmal bist du mir entkommen, Sinclair. Sogar ein zweites Mal. Doch jetzt hat dich das Glück verlassen, und das habe ich beschlossen.«
»Tatsächlich?«
»Ja!«
»Wann treffen wir uns denn wieder?«
»Es wird sich schon ergeben. Und noch eins: Die Miller hat es verdient gehabt. Wie alle anderen, verstehst du? Ich habe sie gekillt, weil sie es verdienten…«
Es war sein letztes Wort. Danach hörte ich nichts mehr, aber die kleine Rede hatte mich schon nachdenklich werden lassen. Diesmal konnte ich mich auf den Rücken legen, was meinem Bein guttat.
Den Schmerz spürte ich so gut wie nicht, nur ein Pochen war zurückgeblieben.
Ich konzentrierte mich auf den Ritter. Zum wiederholten Male stellte ich mir die Frage, wer sich hinter der Rüstung versteckte.
Teufelsdiener, wie vor einiger Zeit im Schwarzwald?
Nein, daran glaubte ich nicht.
Noch einmal erinnerte ich mich daran, wie ich ihm das Kreuz gezeigt hatte. Er war davon unbeeindruckt gewesen, und das Kreuz selbst hatte nicht reagiert. Kein Wärmestoß – kein Funkeln – nichts.
Also doch kein Dämon.
Ein Psychopath!
Wie von selbst krauste sich meine Stirn, als ich diese Überlegung weiterführte. Es war durchaus möglich, denn ich dachte an die Worte seines letzten Anrufs.
Dieser Kerl schien die Frauen zu hassen. Aus welche Gründen auch immer. Jedenfalls haßte er sie. Und deshalb brachte er sie um.
So einfach war das oder so kompliziert, denn hinter diese seelische Abgründe zu gelangen, war gar nicht so einfach. Das war die Aufgabe der Psychologen, die kannten sich damit aus. Wenn meine Überlegungen stimmten, jagte ich einen Verbrecher, kein dämonisches oder schwarzmagisches Geschöpf, wie es sonst immer der Fall gewesen war.
Mir fiel ein, daß ich den Termin mit der Lehrerin Belinda Moore vergessen hatte. Nur weil ich mir den Fuß verstaucht hatte. Ich wollte es am nächsten Tag nachholen.
Und dann versuchte ich tatsächlich, wieder einzuschlafen. Es gelang mir nicht, denn immer wieder schreckte ich hoch und hatte das Gefühl, auf den Helm des killenden Ritters zu starren. Außerdem tat mir der rechte Fußknöchel weh.
***
Gegen sieben Uhr war ich schon wieder auf den Beinen oder auf dem Bein, denn richtig auftreten konnte ich nicht. Zwar war die Schwellung stark zurückgegangen, dank Edna Millers Medizin, aber ich würde mich weiterhin vorsichtig bewegen müssen.
Es war schon seltsam, sich als einziger Gast in einem ansonsten leeren Hotel zu bewegen, denn auch Don Miller war noch nicht zurückgekehrt. Zum Glück war die Eingangstür nicht abgeschlossen.
Ich konnte ins Freie gelangen.
Die Sonne hielt sich hinter Wolken versteckt. Der Tag sah sehr trübe aus und würde sicherlich auch so bleiben. Ich hatte Belinda Moore bereits angerufen und mit ihr ein Treffen in einem nahen Café verabredet, nur wenige Schritte vom Museum entfernt. Ihr Unterricht begann erst zwei Stunden später, so konnte ich noch im Café frühstücken, denn Hunger verspürte ich schon.
Miller’s Inn wurde noch immer bewacht. Da lösten sich die Polizisten im 2-Stunden-Rhythmus ab. Immer wieder blieben auch jetzt Menschen stehen, um ihre Neugierde zu befriedigen.
Ich humpelte zwar noch immer, aber nicht mehr so stark. Das kleine Café hatte bereits geöffnet. Einen Gast sah ich nicht, ich war der einzige im Moment. Aber Belinda Moore würde sicherlich bald kommen. Ich nahm an einem Tisch, nicht weit vom Eingang entfernt, Platz. Er und die Stühle waren aus Rohr gefertigt worden, das einen grünen Anstrich bekommen hatte.
Auch die Glasplatte auf dem runden Tisch schimmerte leicht grünlich.
Kaffee und ein Sandwich reichten mir; es war frisch und mit Putenfleisch belegt, bei dem sogar die Soße schmeckte. Sie klebte zwischen dem Fleisch und
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