097 - Die Todestür
symmetrischen schwarzroten Ornamenten bemalt. Röhren, die fluoreszierendes Licht ausstrahlten, erhellten den langen Raum. Unsere Gesichter wirkten weiß, und alle weißen Dinge leuchteten lila.
Myrtle Williams wandte sich mir zu, und nun sah ich, was sie um den Hals hatte. Es war ein menschlicher Körper, etwa einen Meter lang, dessen Kopf unterhalb ihrer Brüste in ihrem Leib steckte. Die Beine hatte sie sich über die Schultern gelegt, die Arme waren um ihre Taille geschlungen. Das Wesen - oder was immer es sein mochte - war nackt und ohne Geschlechtsmerkmale. Ansonsten war Myrtle Williams eine schwarzhaarige Schönheit. Sie trug ein dunkles Samtkleid mit einem aufgestellten Kragen. Es war ziemlich tief ausgeschnitten, und zwischen den Brüsten, über dem Nacken des Wesens, schimmerte eine Brillantbrosche.
Myrtle Williams lächelte traurig.
„Ich bin von der Schwarzen Familie ausgestoßen", sagte sie, „und dieser Parasit ist mein Fluch. Er ist mein Zwillingsbruder Humphrey und wie ich zum Freak gemacht. Humphreys Kopf steckt in meinem Leib. Die Verbindung ist unauflöslich. Ich muß ständig dafür sorgen, daß Humphrey schläft, denn wenn er wach ist, nagt er an meinen Eingeweiden."
Fred Archer sagte nichts. Er wußte einiges über Dämonen und ihre Umtriebe, aber beileibe nicht alles. Ich sah ihm an, daß er entsetzt war.
Wir setzten uns auf runde Sitzpolster, und Myrtle Williams kochte Tee. Ich steckte mir eine Zigarette an, und auch Coco rauchte. Schweigend warteten wir, bis Myrtle Williams den Tee servierte. Sie setzte sich zu uns.
Jetzt hielt ich die Zeit für gekommen, Coco Zamis und Fred Archer vorzustellen. Und dann sagte ich Myrtle Williams, weshalb wir hergekommen waren.
„Es geht um die entführten Kinder", sagte ich. „Ich muß wissen, wo sie sind. Ohne Hilfe der Freaks werde ich es wohl nicht schaffen. Luguri soll endlich vernichtet werden. Er hat genug Unheil gestiftet."
„Ob Luguri oder ein anderer", sagte Myrtle Williams,, uns Freaks kann es gleich sein. Für die Dämonen sind wir Dreck und Parias. Die Menschen sehen in uns Scheusale. Weshalb sollten wir ihnen helfen?"
„Ich denke, ihr haßt die Dämonen?"
„Wir hassen alles, am meisten uns selbst. Dieses Leben ist nicht lebenswert, aber töten können wir uns auch nicht. Das verhindert ein Bann in unseren Gehirnen. Es ist scheußlich, so dahinzuvegetieren. Früher einmal war ich eine sehr schöne und sehr mächtige Hexe. Dann machte ich den Fehler, mich mit Hekate anzulegen - zusammen mit meinem Zwillingsbruder. Und das habe ich nun davon."
Sie lachte bitter.
Ich stand auf. „Wollen Sie uns helfen, Myrtle Williams, oder wollen Sie es nicht? Die Dämonen haben Sie zu dem gemacht, was Sie sind. Wenn Sie uns helfen, nehmen Sie Rache und tun etwas Gutes."
„Es ist mir gleich, ob ich Gutes oder Böses tue. Aber ich werde euch helfen mit all meinen Freaks. Luguri soll wissen, daß er mit den Freaks zu rechnen hat."
Damit war es entschieden. Myrtle Williams nannte eine kleine Pension in der Nähe, in der Coco und ich bleiben konnten. Sie wollte die Freaks in London und ganz England unverzüglich verständigen. Während wir noch miteinander sprachen, kamen plötzlich dumpfe Laute aus Myrtle Williams Mund.
Sie wurde bleich. „Es ist Humphrey. Er erwacht. Beim Satan, er wird immer resistenter gegen Schlaf- und Betäubungsmittel. Erst heute mittag habe ich ihm eine Dosis gespritzt, die einen Elefanten eine Woche lang schlafen lassen würde." Der Schweiß brach ihr aus. „Er wird mich noch einmal bei lebendigem Leib auffressen."
Sie wankte zu einer Nische und zog den Vorhang zur Seite. Wir sahen einen Medikamentenschrank. Stöhnend nahm Myrtle Williams eine Spritze heraus und öffnete eine Ampulle. Sie saugte die Flüssigkeit in die Spritze und stieß dem Parasiten die Injektionsnadel ins Hinterteil, das über keine Afteröffnung mehr verfügte. Wir mußten mit ansehen, wie das scheußliche Wesen sich zu regen begann und mit Armen und Beinen herumfuchtelte. Dumpfes Gestammel war zu hören, obwohl Myrtle Williams den Mund geschlossen hatte.
Sie ging zu Boden, als die Spritze leer war, und bemühte sich, den Parasiten festzuhalten. Sie stöhnte und keuchte, und ihr Gesicht war schmerzverzerrt.
Coco und ich eilten zu ihr und beugten uns über sie; aber wir konnten nichts für sie tun. Nach einer Weile wurden die Bewegungen des Zwillings schwächer, dann verfiel er wieder in seinen Betäubungsschlaf.
Ich fragte mich, wer von den
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