097 - Die Todestür
Menge fuhr, und vielleicht flogen sogar Steine.
„Gehen wir", sagte ich zu Coco. „Je schneller wir wegkommen, desto besser."
Malone, der mit uns fahren sollte, nickte.
Ich zog meinen Mantel an, der über der Sofalehne lag, setzte einen Hut auf - aus Tarnungsgründen - und ergriff den Handkoffer, in dem sich meine wenigen Utensilien befanden. Coco kam mit einer Reisetasche aus.
So verließen wir die Jugendstilvilla, zusammen mit Detektiv Malone.
Wir kamen ohne Schwierigkeiten aus der Jugendstilvilla. Bei New Scotland Yard wurden wir bis elf Uhr abends aufgehalten. Dann waren sie bereit, uns gehen zu lassen, unter der Bedingung, daß ich regelmäßig Kontakt zum Yard hielt und sofort Mitteilung machte, wenn ich etwas über den Entführer der dreizehn Kinder herausfand.
Mit Beredsamkeit und ein wenig Hypnose - von Coco angewandt - hatte ich die führenden Leute von Scotland Yard davon überzeugen können, daß es am besten war, mich auf eigene Faust arbeiten zu lassen.
In der Vergangenheit hatte ich bei anderen Aktionen sehr gute Erfolge erzielt. Die Öffentlichkeit hatte nur sehr wenig davon erfahren, aber in eingeweihten Kreisen kannte man meinen Namen sehr wohl. Ich galt als Fachmann für Dämonologie und übernatürliche Erscheinungen. Manche Leute beim Yard spöttelten darüber, aber dieser Spott verbarg eigentlich nur die unterschwellige Angst, die sie empfanden.
Vom Yard aus rief ich Fred Archer an, den Privatdetektiv, mit dem ich schon zweimal zusammen gearbeitet hatte. Archer war sofort bereit, zum Yard zu kommen. Er holte Coco und mich kurz nach halb zwölf ab.
Fred Archer war ein mittelgroßer, ein wenig zur Fülle neigender Mann, der durchschnittlich und völlig unauffällig wirkte. Er hatte ein rosiges Gesicht, rotblondes, kurzes Haar, das sich schon ein wenig lichtete, und blaue freundlich dreinblickende Augen. Er war ungemein tüchtig in seinem Beruf und hatte es zu einer eigenen recht gut florierenden Privatdetektei gebracht. Archer war einer der gutmütigsten Männer, die ich je getroffen hatte, konnte aber, wenn es sein mußte, härter als ein Stein sein.
Wir stiegen vor dem Yard in seinen neuen Bentley. Er war mit Autotelefon und einem Funkgerät ausgerüstet. Außerdem hatte Fred Archer Spezialscheinwerfer für Infrarotlicht, wie er mir sagte. „Wohin soll es gehen?" fragte er.
„Soho", sagte ich und nannte eine Adresse in einer heruntergekommenen Gegend.
Fred Archer nickte nur und fuhr los.
Coco saß auf dem Rücksitz.
„Scheußliche Sache, das mit den entführten Kindern", sagte Fred Archer. „Du wirst da hoffentlich eingreifen, Dorian?"
„Deshalb bin ich unterwegs."
Nach Soho war es vom Yard aus nicht weit. Wir fuhren durch düstere Straßen, in denen es eine Menge übler Kneipen und Bars gab. Ich dirigierte Fred Archer in einen Hinterhof, und dann hielten wir vor dem Bau, in dem Myrtle Williams wohnte.
Sie war die neue Anführerin der Londoner Freaks. Unter den Notizen, die ich bei meiner Ankunft in der Jugendstilvilla hatte studieren müssen, hatte sich auch ihre Adresse gefunden. Mit Freaks hatte ich in aller Welt schon zusammen gearbeitet. Sie waren Ausgestoßene der Schwarzen Familie, mit üblen Gebrechen und Leiden geschlagen, und die meisten haßten die Dämonen noch mehr, als ich. Mit Myrtle Williams war ich noch nie zusammengetroffen. Ich klingelte an der Tür. Ein Fenster wurde geöffnet. Es war unangenehm naßkalt, und ein starker Wind wehte.
„Wer ist da?"
„Dorian Hunter", sagte ich. „Ich will zu Myrtle Williams. Die beiden Leute gehören zu mir." „Kommen Sie, Mr. Hunter!" sagte die Frauenstimme einen Augenblick später.
Ich hatte die Frau nicht deutlich erkennen können, aber mir war es so vorgekommen, als trüge sie etwas um den Hals.
Wir hörten Schritte auf der Treppe, dann wurde die Tür geöffnet.
Im Erdgeschoß des schäbigen langgezogenen Hinterhofbaues befanden sich Lagerräume. Im ersten Stock war eine Atelierwohnung eingerichtet.
„Ich bin Myrtle Williams", sagte die Frau.
Der Flur war nicht beleuchtet, und ich konnte noch nicht erkennen, was sie um den Hals hatte. „Folgen Sie mir!"
Sie ging vor uns die Treppe hoch. Oben führte sie uns in eine Wohnung, die einigermaßen merkwürdig war. Sie bestand aus einem langen, schlauchartigen Raum, in dem ein paar Nischen zum Kochen, Waschen und Schlafen abgeteilt waren. In dem Raum stand ein Sammelsurium von Möbeln aus allen möglichen Epochen. Die Wände waren bis zur halben Höhe mit
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