0973 - Das seltsame Genie
Besucher hatte er bereits abgewimmelt. Er hatte schon lange den Punkt überschritten, an dem er sich noch konzentriert angehört hätte, was die Besucher ihm vortrugen.
„Was auch immer Sie möchten", sagte er zu Salik, „Sie kommen vergebens."
„Mein Wunsch ist schnell erfüllt", entgegnete der Klimaingenieur. „Ich möchte zu Julian Tifflor. Ein Fingerzeig von Ihnen genügt mir, seine Tür zu öffnen."
„Kommt nicht in Frage", erwiderte Alvarez abweisend. „Der Erste Terraner hat für niemanden Zeit.
Außerdem ist er nicht hier, sondern in Imperium-Alpha."
Er gähnte hinter der vorgehaltenen Hand.
„Was wollen Sie denn von ihm?"
„Es geht um das Orbiter-Problem."
Alvarez ließ die Hand sinken und gähnte nun ganz ungeniert.
„Da ist die Tür", sagte er. „Was glauben Sie eigentlich, was der Erste Terraner zu tun hat? Glauben Sie wirklich, er kann es sich leisten, sich die Ratschläge von täglich mittlerweile mehr als tausend Besuchern anzuhören, die alle glauben, das Orbiter-Problem lösen zu können?"
„Ich kann es."
„Das sagen sie alle. Nein, mein Lieber, wer zu Tifflor vordringen will, der muß schon ein Genie sein."
„Vielleicht bin ich das."
Alvarez lächelte geringschätzig. Er wies seinem Besucher die Tür und weigerte sich, noch irgend etwas zu sagen. Jen Salik sah ein, daß es sinnlos gewesen wäre, sich weiter um eine Genehmigung für ein Gespräch mit Tifflor zu bemühen. Es schien, als habe Gillison recht. Alvarez war die Endstation all seiner Bemühungen.
Als Salik das Büro verließ, sah er, daß Posten aufzogen. Uniformierte Ordner führten die Besucher aus dem Gebäude. Einer von ihnen kam zu Salik und erklärte ihm, daß ab sofort niemand ohne Sondergenehmigung im Haus bleiben durfte.
Jen Salik erkannte, daß er keine Chance mehr hatte, zu Tifflor vorzudringen, wenn er das Gebäude erst einmal verlassen hatte. Er versuchte, mit einer Lüge an dem Ordnungsdiener vorbeizukommen, doch das gelang ihm nicht.
Jen Salik blickte in das Gesicht des Ordners.
„Tut mir leid", sagte er. „Das hätte ich nicht tun sollen. Es war gelogen."
„Ich weiß."
„Entschuldigen Sie." Der Klimaingenieur errötete leicht. Er wunderte sich über sich selbst. Peinlich war ihm nicht die Tatsache, daß er die Unwahrheit gesagt hatte, sondern daß er so anspruchslos in der Wahl seiner Mittel gewesen war.
Er verließ das Regierungsgebäude. Tausende vornehmlich junger Menschen hatten sich auf dem Platz vor dem Pariament versammelt. Sie skandierten immer wieder die Forderung: „Tifflor - zurücktreten!"
Er beachtete sie nicht und ging zu einer Gleiterstation, um sich in Richtung Imperium-Alpha fahren zu lassen.
Er war müde und enttäuscht.
Er war davon überzeugt gewesen, daß er es an diesem Tage schaffen würde, bis zu Tifflor vorzustoßen.
Was willst du eigentlich bei ihm? fragte er sich. Willst du ihm die Zeit stehlen, nur um ihm zu sagen, daß dir eine unausgegorene Idee vorschwebt? Warum durchdenkst du nicht erst, was du ihm vorschlagen willst, bevor du zu ihm gehst? Was hättest du denn getan, wenn es dir schon heute gelungen wäre, ihn zu sprechen?
Er rieb sich die Augen und lehnte sich zurück, um sich zu entspannen. Dabei schlief er ein.
Als er einige Minuten später wiederauftauchte, wußte er zunächst nicht, wo er war. Da sich außer ihm niemand im Gleiter aufhielt, stand er auf und ging einige Schritte hin und her, um seinen Kreislauf in Schwung .zu bringen. Dabei klärten sich seine Sinne, und er erinnerte sich wieder an die Gedanken, die ihn beschäftigt hatten, bevor er eingeschlafen war.
Seltsam, dachte er. Wieso war ich so unsicher? Natürlich war mein Plan noch nicht fertig, aber jetzt ist er es. Ich hätte doch eigentlich wissen müssen, daß sich solche Fragen zumeist wie von selbst beantworten.
Er befand sich in einer Wohngegend. Von Imperium-Alpha war er noch weit entfernt. Er hatte das Bedürfnis, frische Luft zu schnappen, und stieg aus.
Vor der Gleiterstation dehnte sich ein blühender Park. Dieser zog ihn mit unwiderstehlicher Kraft an. Salik wollte die Blumen aus der Nähe sehen, und er wollte ihren Duft einatmen. Doch kaum hatte er sich über die ersten Blumen gebeugt, als er sich dessen bewußt wurde, daß er keine Zeit verschenken durfte. Die Orbiter ließen den Menschen der Erde keine Zeit, also durfte er auch nicht warten, bis sich irgendwann die Gelegenheit ergab, Tifflor zu sprechen.
*
Das Gesicht des Orbiters Quiryleinen erschien auf
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