0975 - Die zweite Welle
den Gedanken beiseite zu drängen, aber es gelang ihm immer nur für kurze Zeit.
‘Du verdammter Angeber, dachte er und meinte damit sein anderes Ich. Warum mußtest du dich diesen Leuten aufdrängen? Habe ich denn nicht mit mir selbst genug zu tun?’ Es gab keine optimale Lösung für Tupak - nicht unter diesen Bedingungen und zu dieser Zeit ...
Plötzlich war dieses fremde Wissen wieder in der Oberhand, und er hörte sich sagen: „Sie haben zu wenig Land, Tupak. Von diesem steinigen Garten kann sich nicht einmal ein Kaninchen ernähren. Verlassen Sie dieses Haus, bauen Sie sich selbst eines, drüben in dem kleinen Tal, an dessen Abhängen die Terrassen sind. Geben Sie mir ein Stück Papier." Und mit wenigen Strichen legte er Tupak klar, wie das Haus gebaut werden sollte und was er tun mußte, um auf diesen uralten Terrassen Gemüse und Mais anzubauen, welche Pflanzenarten sich überhaupt eigneten, wie man diese Felder bewässern mußte - als er fertig war, fiel ihm der Stift aus den Fingern. Er war in Schweiß gebadet von dem inneren Kampf, den er vergebens gegen sich selbst geführt hatte.
‘Das darfst du nicht tun! schrie er sich in Gedanken an. Wie kannst du diesen Menschen Hoffnung auf eine Zukunft machen, die es gar nicht gibt?’ Das andere Ich war stärker.
Er sah Tupak an, der begeistert auf die Zeichnungen sah, und er wußte, daß es zu spät war. Der arme Kerl hatte angebissen. Er würde sich nach diesem wahnsinnigen Vorschlag richten und versuchen, mitten in diesem kahlen Land ein winziges Paradies zu errichten. Und er würde an diesem Ort bleiben, bis er starb. Das würde schon bald der Fall sein.
„Nehmen Sie Ihre Familie, steigen Sie in einen Gleiter und fliegen Sie nach La Paz!" sagte Salik mühsam, und sein anderes Ich versuchte nicht, ihn daran zu hindern. „Vielleicht finde ich doch noch einen Ausweg, oder ein anderer entdeckt einen Weg, der der Menschheit aus der Falle hilft. Dann werden Raumschiffe kommen, und wenn Sie Glück haben, gehören Sie zu denen, die diesen Planeten rechtzeitig verlassen können."
Noch während er sprach, wußte er, daß es sinnlos war. Tupak sah von seinem Gesicht auf die Zeichnung und wieder zurück, warf seiner Frau einen kurzen Blick zu und schüttelte kaum merklich den Kopf.
Salik stemmte sich von der Bank hoch, auf der er gesessen hatte, und ging schwankend zur Tür. Er hörte die beiden hinter sich flüstern. Die Kinder verhielten sich ganz still. Er stieß die Tür auf. Die frische Luft tat ihm gut.
Seine Gedanken klärten sich ein wenig, und er gelangte bis in sein Haus und ließ sich auf ein Bett fallen. In seinem Kopf pochte es dumpf. Wirre Gedanken drangen auf ihn ein.
Er war offenbar doch schließlich eingeschlafen, denn er erwachte,weil ein Gemurmel von Stimmen ihn störte. Er ging zur Tür und sah hinaus.
Draußen standen Männer und Frauen, deuteten auf das Haus und unterhielten sich dabei aufgeregt, aber leise. Er begriff nicht, was diese Leute hier wollten. Ärgerlich stieß er die Tür auf.
Da trat Tupak leise zu ihm heran.
„Das sind alles Leute, denen es genauso geht wie mir", sagte er ernst. „Sie brauchen Hilfe!"
Salik stöhnte auf und zog sich fluchtartig in das Haus zurück.
„Ihr dürft nicht ungeduldig werden", hörte er Tupak draußen sagen. „Ich weiß nicht, was mit ihm los ist.
Vielleicht ist er wirklich verrückt. Aber der Plan, den er für mich gemacht hat, ist gut, verdammt gut sogar. Salik mag voller Widersprüche sein, aber das hat nichts zu bedeuten. Er ist nur ein wenig sprunghaft - wie die alten Götter, die unsere Vorfahren verehrten."
„Wie ein Gott sieht er aber nicht gerade aus!" rief jernand aus der Menge.
„Was verstehst du schon von Göttern?" fragte Tupak streng. „Hast du schon einen gesehen? Außerdem habe ich nicht behauptet, daß er wirklich einer ist. Ihr habt ihn erschreckt. Zieht euch ein bißchen zurück, und verhaltet euch ruhig. Ich werde mit ihm reden."
Salik preßte die Hände gegen die Ohren. Was sollte er tun?
Die Weltraumbeben bedeuteten den Untergang der Menschheit. Das wußte er. Aber er brachte es nicht fertig, die Menschen so eindringlich zu warnen, wie er es hätte tun müssen.
Ich würde sie nur erschrecken, dachte das fremde Ich in ihm. Sie würden in Angst und Terror sterben, und das will ich nicht. Wozu die Warnung, wenn es nichts gibt, was man gegen diese Gefahr unternehmen kann?
Jen Saliks altes Ich fragte sich, wie er zu diesen Gedanken kam ‘Wenn wir Raumschiffe
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