0975 - Die zweite Welle
alt sein mußte. Es war aus grobbehauenen Steinen errichtet. Die Fugen hatte man mit grauem Mörtel verschmiert.
Es gab keine Tür mehr, sondern nur noch ein unregelmäßiges Loch in der Wand. Drinnen lagen hereingewehte Pflanzenteile. Salik stieg vorsichtig durch die Öffnung. Die Mauern hielten den schneidenden Wind ab, aber er sah deutlich, daß der Mörtel sich bereits aus vielen Fugen gelöst hatte. Schon in wenigen Jahren mußte dieses Gebäude endgültig zerfallen. Es würde einen formlosen Steinhaufen bilden, wie es so viele in dieser Gegend gab.
Salik stand ganz still da, lauschte auf das dünne Pfeifen des Windes und versuchte sich vorzustellen, wie die Menschen ausgesehen hatten, die einst in diesem Haus gelebt hatten Es konnte höchstens fünfhundert Jahre her sein, daß sie das Haus verlassen hatten, und doch gab es keine Spur mehr von ihnen.
‘Wie lange wird es dauern, bis die neuen Städte zerfallen sind?’ dachte er bedrückt.
Er versuchte es sich vorzustellen. Wenn die Menschen durch die Orbiter. von der Erde vertrieben wurden, blieben all die großen Städte sich selbst überlassen. Er bemühte sich, Amsterdam so zu sehen, wie es dann in hundert, zweihundert oder sogar tausend Jahren aussehen mußte.
Die Visionen waren bedrückend. Er schüttelte sie mühsam ab, indem er jeden Winkel durchsuchte. Er fand buchstäblich nichts, was an die Bewohner erinnerte.
Er brauchte einen ruhigen Ort, an dem er nachdenken konnte. Diese Gegend war genau richtig. Hier war er weit von all dem Trubel entfernt, und er würde weniger häufig als anderswo von seinen Gedanken abgelenkt werden.
Allerdings, in solcher Einsamkeit, in einer halbzerfallenen Hütte, mochte auch Jen Salik nicht über das Orbiter-Problem nachdenken. Darum ging er zum Gleiter zurück und erkundigte sich bei der Automatik nach dem Namen der nächsten Stadt.
„Das ist Tumain", antwortete der Gleiter, und er wollte gleich noch eine Anzahl von Daten hinzufügen, aber Salik befahl dem Automaten zu schweigen.
Er erteilte dem Gleiter den Befehl, Tumain anzusteuern, und die Maschine gehorchte, wie es sich für sie gehörte. Salik lehnte sich zurück und betrachtete kritisch die Gegend, in der er die nächsten Tage - vielleicht aber auch Wochen - zu verbringen gedachte.
Das Land wurde ein wenig grüner und freundlicher. Er würde es eine Zeitlang hier aushalten können, und es sollte ihm in dieser Abgeschiedenheit auch möglich sein, mit sich selbst ins reine zu kommen, denn ehe er das nicht geschafft hatte, würde er keine Lösung für sein zweites Problem finden. Es war natürlich ebensogut möglich, daß er doch noch den Verstand verlor, aber diese Gefahr bestand auch an jedem anderen Ort.
An den steinigen Hängen sah er die Überreste von Terrassen, die früher sicher fruchtbaren Feldern Platz geboten hatten, jetzt aber schon seit vielen hundert Jahren brach lagen. Während Salik hinsah, entwickelte sein übereifriges Gehirn blitzschnell einen absolut perfekten Plan, wie man diese Terrassen mit geringem Aufwand restaurieren und so nutzen konnte, daß ein auch für dieses Zeitalter annehmbarer Gewinn dabei herauskam.
„Es geht schon wieder los!" murmelte er und konzentrierte sich trotzig auf den Gleiter. Im selben Augenblick ersann das fremde Etwas in seinem Verstand mühelos ein ganz neues Leitsystem für Fahrzeuge dieser Art.
Er war sehr froh, als er endlich Tumain schräg unter sich liegen sah.
Die Stadt war klein. Salik schätzte, daß man nicht mehr als neuntausend Menschen darin unterbringen konnte. Unterdessen war es Abend geworden, und der Wind pfiff über das Land. In den Straßen war kein Mensch zu sehen. Salik sehnte sich nach Ruhe und Schlaf, aber der Gedanke, die Nacht in einem Hotel zubringen zu müssen, war ihm zuwider. Er ließ den Gleiter das Informationszentrum ansteuern. Drinnen war es warm und hell, aber auch hier traf Salik auf keinen einzigen Einwohner der Stadt.
Salik wandte sich an einen Auskunftsroboter und bat um eine Liste jener Häuser, die zur Zeit zu vermieten waren. Auf einem Bildschirm erschienen Anschriften und Beschreibungen. Die Aufstellung war sehr lang, und es bereitete ihm Vergnügen, die Maschine bei der Arbeit zu sehen, obwohl er sie alles andere als perfekt fand. Die Änderungen, die er sofort in allen Einzelheiten samt der erforderlichen Mittel vor sich sah, hätten aus dem stationären Roboter eine bewegliche Einheit mit hoher Kapazität gemacht.
Er schob diese Idee ärgerlich von sich und
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