0976 - Die Leichen der schönen Charlotte
gedanklich mit Stevens beschäftigte. Ja, auch ich spürte, daß mehr hinter diesem Fall steckte und ich nicht unbedingt falsch lag, wenn ich ihm nachspürte.
Das Warten wurde lang. Da dehnten sich die Sekunden zu Minuten. Manchmal drang aus dem Flur ein Geräusch in den Raum. Schritte polterten die Treppe hoch. Dann brüllte eine Frau einen Mann an, umgekehrt war es auch einmal der Fall, aber über mir, und ich war froh, als ich das Telefon hörte.
»John, es ist soweit.«
»Wie weit, Tanner?«
»Wir wissen, wo die Dame wohnt. Das ist ganz in der Nähe. Du kannst zu Fuß hingehen. In einem dieser neuen Apartmenthäuser, in dem die kleinen Wohnungen sehr teuer sind. Der Anschluß ist auf den Namen Miller gemeldet worden.«
»Wie originell.«
»Meine ich auch.«
»Dann gib mal die Adresse durch.«
Er tat es.
Ich schrieb nicht mit, denn das war leicht zu behalten. »Gut, Tanner, ich werde mich wieder melden, dann sehen wir weiter und wissen mehr, hoffe ich.«
»Noch eins, John, laß dich nicht von einem süßen, blonden Engel verführen.«
»Das bestimmt nicht. Zumeist suche ich mir die Engel aus, von denen ich mich verführen lasse.«
»Ist auch besser so.«
Meine Laune hatte sich gebessert. Ich sah wieder Land und war froh, nicht im Büro hocken zu müssen, denn das Wetter besserte sich von Minute zu Minute. Die Wolken verschwanden, der blaue Himmel kam durch, und so hob sich auch meine Laune.
Nur wenn ich an den verschwundenen Dick Stevens dachte, gefielen mir gewisse Dinge nicht…
***
Es war leicht gewesen, in Dicks Wohnung zu gelangen. Bei dieser Charlotte klappte das nicht so leicht. Sie wohnte in einem dieser modernen Häuser, mit stabilen Türen und Sicherheitsschlössern.
Ich wollte erst keinen großen Versuch starten, sondern forschte gleich nach dem Hausmeister. In diesen Apartmentburgen gab es ihn, besonders in den neuen Häusern, zu dem dieser Block gehörte.
In der großen, doch düster wirkenden Halle, was vor allen Dingen an der Farbe des Fußbodens lag, einem tiefen Blau, fand ich ihn nahe der Aufzüge, wo er dabei war, zwei dieser großen Fliesen auszuwechseln. Er hörte mich nicht kommen, weil neben ihm ein Radio dudelte.
Ich tippte ihm auf die Schulter.
Er schnellte hoch, als wollte er mich angreifen. Es war der erste Schreck, und der malte sich auf seinem Gesicht noch ab, als er herumgefahren war.
Der Hausmeister war noch keine dreißig. Er hatte dunkelblondes Haar und einen ebensolchen Oberlippenbart. Seine Hände sahen aus wie große Schaufeln.
Ich stellte das Radio ab, was ihm nicht gefiel, denn sein blasses Gesicht lief rot an.
»Was wollen Sie?«
»Ich brauche Ihre Hilfe.«
Er wollte mir eine patzige Antwort geben. Die aber schluckte er hinunter, als er meinen Ausweis sah, den ich ihm direkt vor die Nase hielt. »Scotland Yard helfen Sie doch gern, wie?«
Das Lachen mißlang ihm. Dafür nickte er und fragte, worum es denn überhaupt ging.
»Um eine gewisse Charlotte Miller.«
Das Grinsen des Hausmeisters bewies mir, daß er Bescheid wußte. Mit einem Kommentar hielt er sich allerdings zurück.
»Kennen Sie die Dame?«
»Ja, aber nur namentlich und nur vom Ansehen.«
»Sehr gut.«
»Wieso?«
»Dann werden Sie mich zu ihrem Apartment begleiten und es mir mit dem Nachschlüssel öffnen.«
Der Hausmeister holte nicht nur tief Luft, sondern auch einige Weingummis aus seiner rechten Kitteltasche. Er ließ die Dinger in seinem Mund verschwinden und meinte, während er noch kaute:
»Ich weiß nicht, ob ich das so einfach darf.«
»Doch, das dürfen Sie.«
»Haben Sie einen Durchsuchungsbefehl?«
»Nein, aber ich kann ihn mir besorgen…«
»Ist ja schon gut. War nur eine Frage. Wenn Sie das so sehen, ist das okay.«
»In welche Etage müssen wir?«
»Es ist die achte.«
»Gut, fahren wir.«
»Ich muß aber erst noch den Schlüssel holen.«
»Dann warte ich solange«, erklärte ich ihm und nickte ergeben.
Der Hausmeister verschwand durch eine schmale Seitentür in seiner Bude. Ich wartete und ging dabei auf und ab. Der Mann war sehr schnell wieder da. Er hatte sich auch etwas gefangen und wollte von mir wissen, während wir in den Fahrstuhl einstiegen, ob damit zu rechnen sei, daß wir Charlotte eventuell als Leiche vorfinden würden.
»Wie kommen Sie denn darauf?«
»Man sieht so viel im Fernsehen.«
»Das können Sie vergessen. Aber Sie könnten mir trotzdem erzählen, was Sie über Charlotte wissen.«
»Ich?« Er tippte sich selbst gegen die Brust.
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