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0977 - Gefahr für die Blaue Stadt

0977 - Gefahr für die Blaue Stadt

Titel: 0977 - Gefahr für die Blaue Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred H. Rückert und Simon Borner
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lebe nicht im Jahr 1920.
    Ich trage kein Leinen und kein Tweed. Ich arbeite nicht in Orlando.
    Das bin nicht ich.
    Monica, was geschieht mit uns? Ich sehe dich vor mir, aber du bist nur Fassade, bist eine Marionette wie ich. Ich erreiche dich nicht. Irgendjemand lässt mich nicht. Irgendjemand zieht an unseren Fäden und lässt uns Dinge erleben, die nichts mit uns zu tun haben.
    Monica, wach auf.
    Hilf mir bevor…
    ***
    Die Nacht war erstaunlich kühl geworden. Irgendwo krähte ein Tropenvogel klagend ins Schwarz. Hin und wieder brach sich der Mond eine Bahn durch die Wolken und warf fahles Licht auf die kleine Lichtung in den Ten Thousand Islands, dem Ort, an dem Patty aus illegal erworbenem Alkohol noch mehr illegalen Alkohol machte.
    »Was macht Orlando?«, wollte Nicoles Chefin wissen.
    Das weißt du genau, dachte sie. Niemand leitet ein derart großes und erfolgreiches Fusel-Imperium - erst recht nicht als Frau -, ohne stets über alles informiert zu sein. »Tagsüber in der Sonne schwitzen, abends brav ins Bett gehen - oder uns sein Geld geben.«
    »So soil’s sein. Acht Kisten?«
    Nicole nickte. »Wie bestellt. Liegen da vorn im Dunkel.«
    Patty sah zu ihr. »Ich hab mir dich ganz anders vorgestellt.«
    »Gleichfalls«, sagte sie lachend. »Übrigens das alles hier. Ein Herrenhaus mitten in den Everglades? Ernsthaft?«
    »Das stand schon, als ich ins Spiel kam«, erwiderte Patty. »Und zwar leer. Meines Wissens haben die Franzosen es Siebzehnhundertschießmichtot errichtet. Seitdem ist es in Vergessenheit geraten, denn hier draußen will einfach keiner wohnen.« Sie lächelte. »Außer mir.«
    »Das ideale Versteck.«
    Patty nickte. »Du wirst ja gesehen haben, wie sumpfig die Umgegend ist. Wie leicht sich die Cops in diesem Irrgarten aus Schlingpflanzen, Mangroven und Kroko-Scheiße abhängen lassen. Jede Woche fahren meine Jungs drei Fuhren raus und rein. Und obwohl Uncle Sams Spielverderber genau wissen, dass wir hier irgendwo stecken, haben sie es bislang nicht geschafft, einem unserer Boote bis zum Ziel zu folgen.«
    Nicole fragte sich, was geschehen würde, wenn doch, verkniff es sich aber, diese Frage in Worte zu fassen. Einerseits hatte sie das eigenartige Gefühl einer starken (Freundschaft. Mein Gott, Monica, warum denke ich so fremd und) Vertrautheit zwischen sich und Miss Patty und ahnte, dass sie gefahrlos fragen durfte, andererseits ging sie das alles nichts an. Und manche Antworten wollte sie schlicht nicht hören.
    In den Sümpfen verschwindet es sich sicher leicht spurlos, dachte sie mit leichtem Schaudern.
    »Lass uns ins Haus gehen«, schlug Patty vor. »Ich lasse Eric und die anderen den Fusel holen. Wir beide gönnen uns derweil eine Tasse Bohnenkaffee. Zum Aufwärmen.«
    »Gute Idee«, erwiderte Nicole lächelnd.
    Zehn Minuten später saß sie (auf einem staubigen Sessel im Obergeschoss) auf einem geschmackvoll bezogenen Sofa im hinteren Bereich des Anwesens, vor sich (einen Dämon! Werd endlich wach, Mädchen! Er will dich!) eine dampfende Tasse frisch aufgebrühten Kaffees.
    »Und im Keller wird gebrannt?«, fragte sie. Der Geruch war nicht zu ignorieren.
    Miss Patty lachte. »Im Keller wird gekillt, richtig.«
    »Bitte?«
    »Was? Gebrannt wird, ganz recht«, wiederholte ihr Gegenüber.
    Nicole runzelte die Stirn. Eigenartig. Ihr war als habe sie etwas ganz anderes gehört. »Wie viel produziert ihr hier eigentlich so am Tag?«, fragte sie nun. All das ging sie nichts an, aber es interessierte sie - und irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, Patty alles fragen zu können.
    »Oh, wenn’s nach mir ginge, so an die fünfhundert Tote«, antwortete die Chefin im Plauderton. »Alles darunter wäre ineffizient, weißt du. Und wenn man die Klauen schon einmal blutig hat…«
    Nicole riss die Augen auf. Wovon redet die denn? »Ich… Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz. Fünfhundert… Tote?«
    »Rote, Liebes. Flaschen mit rotem Label. Die mit dem Schwefelduft.«
    Schwefel…kluft.
    Nicole hatte keine Ahnung, wo dieses beknackte Wort auf einmal herkam, aber es steckte plötzlich wie festgeschraubt in ihren Gedanken. Und es brachte Freunde mit… Ein unerklärliches, beängstigendes Gefühl machte sich in ihr breit. Nervosität, für die es doch eigentlich keinen Anlass gab. Oder?
    »Ist etwas, Nicole? Du wirkst so blass? Schmeckt der Kaffee nicht?«
    Nicole hörte die Frage, konnte aber nicht reagieren. In ihrem Geist stolperten die Gedankenfetzen plötzlich so schnell übereinander

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