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0978 - In den Ruinen von London

0978 - In den Ruinen von London

Titel: 0978 - In den Ruinen von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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auftauchte.
    Ihre Mutter entdeckte sie kurz darauf und kam hinter dem Wagen hervor.
    Sie sah… ungewöhnlich aus. Ihr Kleid war an mehreren Stellen eingerissen, wies sogar einen Brandfleck auf, und von ihren Schuhen war nur noch der linke an seinem vorgesehenen Platz, rechts stolperte sie barfuß über das Gras.
    »Carrie…«
    Die Stimme klang heiser, als hätte sie, wie früher, als alles noch gut gewesen war, zusammen mit Dad stundenlang bei einem Spiel im Stadion gegrölt. Dann war sie auch oft so heimgekommen, hatte den Babysitter bezahlt und noch mit leuchtenden Augen eine Weile an Carries Bett gesessen und ihr von dem fabelhaften Sieg - oder der unverdienten Niederlage - ihres Klubs erzählt.
    Carrie spürte, wie ihr schon wieder die Tränen übers Gesicht liefen.
    Das Blatt in ihrer Hand bemerkte ihre schlechte Verfassung. »Du wirst wieder glücklich, dafür sorge ich. Schau nicht zurück, schau nur nach vorn.«
    Aber vorn war dort, wo ihre Mum herangestolpert kam, und ihre Mum war gestern einfach verschwunden und hatte sie sich selbst überlassen.
    Carrie war sauer auf sie.
    Und Carrie wollte ihr zeigen, dass sie sauer war.
    Sie gab keine Antwort. Auch nicht, als ihre Mum direkt vor ihr stand und sie an den Schultern fasste.
    »Steig in den Wagen«, sagte die Frau.
    Carrie schüttelte störrisch den Kopf.
    »Aber es ist wichtig! Du versäumst deinen Termin!«
    »Termin?«, echote Carrie.
    »In der Klinik.«
    »Ich habe keinen…«
    Ihre Mum packte sie noch rabiater am Arm und zerrte sie auf das mitten auf dem Rasen zum Stehen gekommene Fahrzeug zu.
    Carrie versuchte sich zu wehren, aber der Griff ihrer Mum war unbarmherzig und unnachgiebig.
    Wenig später raste Carrie mit ihr aus dem Wald in das Wohnviertel Highgate, das noch echten Dorfcharakter hatte, vorbei an der hiesigen Schule und dem Highgate Cemetry.
    Während der Fahrt sah das Mädchen, wie sich die Stadt verändert hatte, seit es diese Strecke zum letzten Mal gefahren war. Und wie sie sich unablässig weiter veränderte.
    ***
    »Wo warst du die ganze Nacht?«, fragte Carrie, während ihre Mum um Autos herumfuhr, die mitten auf der Straße abgestellt worden waren. Und dann waren da auch noch Autos, deren Scheiben zerplatzt waren und aus derem Innern seltsame Pflanzen hervorquollen, fast wie bei Carries Dad, nur viel größer und bedrohlicher.
    Ihre Mutter gab keine Antwort. Sie saß, wie es schien, hoch konzentriert hinter dem Steuer, um kein Hindernis zu übersehen.
    »Mum!«
    »Sei brav, Kind, sei brav.«
    »Was ist mit der Stadt passiert?«
    »Passiert?«
    »Was hat der riesige Baum zu bedeuten? Warum stehen hier überall Autos herum? Und Haustüren…« Sie spähte zu den Häusern, an denen sie vorbeikamen. »… offen? Ich sehe gar keine Leute. Wo sind denn alle hin?« Sie verstummte, weil aus der Einfahrt eines Hauses in genau dem Moment eine Gruppe von Männern und Frauen gewankt kam, die, als sie den Mini Cooper bemerkten, hinter ihm her zu rennen begannen.
    Carrie blickte ängstlich aus dem Rückfenster.
    Die Leute sahen anders aus, als die Leute hier früher ausgesehen hatten. Sie hatten wilde Frisuren, die für einen Augenblick fast wie blättriges Gestrüpp anmuteten.
    »Mum, wir werden verfolgt!«
    »Unsinn.«
    »Schau doch in den Spiegel!«
    Carries Mutter reagierte nicht, lenkte aber den Mini Cooper auf die einmündende Straße, die Richtung Innenstadt und zur dortigen Klinik führte.
    »Ich hab doch gar keinen Termin. Vor ein paar Tagen hast du gesagt, es sei jetzt überstanden. Du hast…«
    »Ich habe mich geirrt, Kind. In der Klinik tun sie alles, damit es dir gut geht. Vermisst du deine Haare?«
    Was für eine Frage! Natürlich vermisste sie ihre Haare!
    »Das weißt du doch!«
    Carries Mutter löste ihren Blick kurz von der immer chaotischer mit Hindernissen gespickten Straße. Dann griff sie sich ins eigene volle Haar und riss ein ganzes Bündel heraus, das sie ihrer Tochter reichte. »Nimm die hier solange. Wir kleben sie dir fest. Ich tu doch alles für mein Schätzchen. Alles…«
    Carrie versuchte den Brechreiz zu unterdrücken, der sich ihrer bemächtigte. An den Wurzeln waren die Haare blutig. Aber noch ekliger wirkte die kahle Stelle am Kopf ihrer Mutter. Dort blutete es ebenfalls. Aber im Blut war auch Bewegung. Als würde etwas darin schwimmen.
    Der Wagen stoppte jäh. Carrie konnte sich gerade noch mit den Händen am Armaturenbrett abstützen, um nicht mit dem Kopf gegen die Scheibe zu krachen. Angeschnallt war sie

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