Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0978 - In den Ruinen von London

0978 - In den Ruinen von London

Titel: 0978 - In den Ruinen von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
Vom Netzwerk:
vollziehen.«
    Zamorra hatte schweigend zugehört, nagte jetzt an seiner Unterlippe und ließ übergangslos die Finger über die Tastatur seines Rechneranschlusses huschen.
    »Was ist? Geistesblitz?«, fragte Nicole.
    Er zuckte mit den Achseln. »So genial jetzt auch wieder nicht. Mich stört nur, dass wir das Mädchen bislang lediglich aus Beschreibungen kennen.«
    »Und das willst du ändern.«
    Er nickte.
    »Wie?«
    Auf dem Bildschirm erschien eine Ansicht des Kellergewölbes. »Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht.«
    »Die Überwachungskamera!«
    Zamorra lächelte. »Sie existiert schon fast so lange, wie es die Regenbogenblumen unter der Miniatursonne gibt. Aber zurate gezogen habe ich sie noch nie.«
    Während er sprach, hatte er das System auf die ungefähre Uhrzeit gefahren, zu der sich die Sichtungen hier und in Florida ereignet hatten.
    Als er die Aufnahmen schnell vorspulte, sah er, wie William im Erfassungsbereich der Kamera auf tauchte und sich mit der Pflege des Beets befasste. Wenig später tauchte etwas zwischen den Blumen auf.
    Zamorra schaltete auf Standbild und Zoom, dann suchte er in Einzelschritten nach dem Motiv, das die meisten Details offenbarte. Und dann blickte ihnen aus dem Monitor das ernste, kluge und dazu auch noch zuckersüße Gesicht eines dunkelhäutigen, kahlköpfigen Mädchens von etwa elf, zwölf Jahren entgegen.
    So, wie es original dem Butler entgegengeblickt hatte - bevor es kurz darauf wieder verschwunden war.
    »Irgendetwas stimmt mit der Kleinen nicht«, sagte Zamorra. »Aber immerhin wissen wir jetzt absolut sicher, dass William nicht nur einer Halluzination aufgesessen ist. Genau wie Rob ein paar Tausend Kilometer entfernt. Halluzinationen zeichnet die Kamera nicht auf.«
    »Und was, meinst du, ›stimmt mit ihr nicht‹?«
    »Gesichtszüge und -farbe passen nicht zusammen.«
    Nicole beugte sich näher zu dem Bildschirm hin und nickte. »Du hast recht. Zu diesem extremen Dunkel würden rundlichere Nasen- und Augenhöhlen passen, eine wulstige Nase, ausgeprägte Kiefer.«
    »Früher nannte man das negroid«, sagte Zamorra. »Heutzutage ist das politisch nicht mehr korrekt. Weil ›negro‹ Assoziationen zu Sklaverei und Kolonialismus weckt.«
    »Sie sieht aus wie ein westlich geprägtes Kind, amerikanisch oder britisch - es gibt da gewisse Eigenheiten, das weißt du selbst, von denen man rückschließen kann. Sie ist wunderhübsch, aber sie sieht aus, als wäre ihre Haut…«
    Sie zögerte.
    »… gefärbt«, vollendete Zamorra den Satz für sie.
    ***
    Nur etwa eine Stunde später erreichte Zamorra ein Anruf aus England. Die Person am anderen Ende der Leitung war Field Marshal Orson Cougar, der die »Kritische Zone« unter sich hatte. Es dauerte zwei, drei Sekunden, bis Zamorra dämmerte, dass mit dem Begriff der Sperrgürtel rund um London gemeint war.
    Der Mann war in höchster Alarmbereitschaft - und bat Zamorra, ihm in seiner Eigenschaft als »Experten für übernatürliche Phänomene« einen Besuch abzustatten.
    Ohne Einzelheiten des aufgetauchten Problems zu nennen, machte Orson Cougar keinen Hehl aus der Dringlichkeit seines Ansinnens.
    Zamorra hatte seine Gründe, ohne Zögern zuzusagen.
    London war ihm eine Herzensangelegenheit, weil er den »Untergang« der Stadt hautnah, quasi »in der ersten Reihe«, miterlebt hatte.
    Und weil London sich schon kurz zuvor wieder unter mysteriösen Umständen bei ihm ins Gedächtnis gerufen hatte.
    An einen Zusammenhang wollte er noch nicht zwingend glauben.
    Aber er hielt ihn für möglich.
    »Ich reise alleine«, teilte er Nicole mit.
    »Gibt es dafür besondere Gründe?«
    »Vielleicht. Zum einen weißt du, dass vor Ort keine einzige reizvolle Shopping-Mall mehr existiert. Und zum anderen will ich zum Abendbrot wieder zurück sein.«
    5.
    London, 2010
    Carrie-ohne-Haar war in ihrem Blumenversteck, als Motorenlärm und quietschende Reifen sie am Tag nach der Beerdigung ihres Vaters - nichts anderes war es ja gewesen - veranlassten, vors Haus zu gehen.
    Dort sah sie, wie sich der Mini Cooper ihres Dads schlingernd die Straße herauf bewegte und dann so abrupt in die Einfahrt einbog, dass der linke Kotflügel die Mülltonne rammte und sie wie ein Geschoss über den Rasen schleuderte. Ihr Inhalt verteilte sich über eine Fläche von mehreren Quadratmetern.
    Carrie rührte sich nicht von der Stelle. Auch nicht, als auf der rechten Seite die Fahrertür aufgehebelt wurde und der Kopf ihrer Mum über der Karosserie

Weitere Kostenlose Bücher