0978 - In den Ruinen von London
verdanken. Von ihnen abgeholt zu werden, hatte er mit dem Hinweis abgelehnt, dass er selbst mobil sein wollte - man wusste nie, wofür das gut sein konnte. Man hatte sich auf einen Kompromiss geeinigt: Zamorra wählte ein Fahrzeug nach seinem Gusto, würde aber zum Treffpunkt mit Field Marshal Cougar von vier Polizeimotorrädern eskortiert.
So geschah es dann auch. Dank des Geleits von zwei Maschinen vor und zwei hinter ihm, erreichte Zamorra die »Nebelgrenze« gegen 14 Uhr MEZ.
Ein Stabsoffizier nahm ihn sofort in Empfang und brachte ihn zu einem verschachtelten Komplex aus Fertigcontainern, der strenger bewacht war als Fort Knox.
Den Grund dafür erfuhr Zamorra umgehend.
***
»Monsieur le professeur!«
»Field Marshal Cougar, nehme ich an?«
Der Mann, dem sich Zamorra wenig später in einem spartanisch eingerichteten Container gegenübersah, wirkte wie ein vornehmer älterer Lord - einzig die Uniform mit den opulenten Rangabzeichen und Knöpfen verriet, zu welchem »Verein« er tatsächlich gehörte.
Mit Militär jeglicher Couleur hatte Zamorra normalerweise wenig am Hut. Aber er war anpassungsfähig, und wenn die Zeiten es erforderten, kooperierte er auch mit Kriegshandwerkern - sofern diese nie vergaßen, dass auch auf der anderen Seite einer Front Menschen agierten.
Normalerweise.
Im Falle von London hoffte Zamorra, dass »drüben« immer noch Menschen lebten, die der Rettung harrten. Aber er wusste sicher, dass es dort auch andere Gegner gab, gegen die selbst er sich nicht scheute, jede vertretbare Waffe zum Einsatz zu bringen.
Etwas Dämonisches, Urböses hatte die Stadt erobert und gegen die Außenwelt abgeschottet - mit Mitteln, die alles in den Schatten stellten, was im ewigen Krieg zwischen den Mächten des Lichts und der Finsternis jemals zum Einsatz gekommen war.
»Cougar, richtig.« Der Mann mit dem markanten Gesicht und den Geheimratsecken streckte Zamorra die Hand entgegen. »Aber nennen Sie mich Orson.«
Zamorra hob eine Augenbraue und überlegte, ob der Field Marshal sich bei ihm einschmeicheln wollte.
Wenn ja, wäre die Frage zu klären gewesen, warum. Welchen Grund sollte es dafür geben?
Schon wenig später war Zamorra überzeugt, dass der ranghöchste britische Soldat, der offenbar vom Premierminister persönlich zur »Mission Fog« abkommandiert worden war, wie Cougar beiläufig erwähnte, einfach nur ein höflicher, zugänglicher Mensch ohne Berührungsängste war, kein sturer Beton- oder Kommisskopf.
»Am Telefon sagten Sie, Sie würden gern meine Experteneinschätzung zu etwas hören. Worum genau es sich handelt, wollten Sie nicht sagen. Nur dass es mit Londons augenblicklichem Status und einem Vorfall zu tun habe.«
Orson Cougar - oder einfach nur Orson - nickte. »So etwas bespricht man nicht am Telefon.«
»Es gibt abhörsichere Verbindungen.«
»Daran glauben nur hoch naive… oder hoch anständige Menschen«, sagte der Generalmarschall, ohne mit der Wimper zu zucken.
»In welche Kategorie würden Sie mich einordnen?«, fragte Zamorra.
»In die dritte.«
Sie lachten beide.
»Möchten Sie etwas zu sich nehmen, Essen, Trinken? Wir sind gut versorgt hier.«
Zamorra lehnte dankend ab. »Später vielleicht. Ich wollte mich nicht lange aufhalten, es sei denn das, was Sie für mich haben, ergäbe dafür einen plausiblen Grund.«
»Nun, dann sehen wir es uns am besten gleich an.«
Der Field Marshal besprach sich kurz mit einer Ordonnanz und erklärte, dass er »den Professor« persönlich zum Laborcontainer bringen wolle.
Zwei Minuten später waren sie dorthin unterwegs.
Und vier Minuten später begann die Leichenschau.
***
Zamorra wurde kalt erwischt von dem Anblick. Zusammen mit Orson Cougar stand er vor einer Wand aus Spezialglas und blickte in einen für medizinische Belange eingerichteten Container. Überall standen hochmoderne Analyse- und Überwachungs-Gerätschaften, und zwei von Schutzkleidung unkenntlich gemachte Personen waren mit der Obduktion eines aufgedeckten Leichnams beschäftigt, der nur rudimentäre Ähnlichkeit mit einem Menschen aufwies. Es gab noch zwei weitere Tische, auf denen verhüllte Körper lagen.
»Allmählich wäre es Zeit, mich einzuweihen - oder zu verabschieden«, sagte Zamorra. »Letzteres ergäbe wenig Sinn, weil Sie mich gar nicht erst hätten herzitieren müssen. Aber ich wüsste jetzt gern alles - dazu.« Er zeigte auf den Körper, den das eingespielte Team gerade auseinandernahm.
»Das ist der Jüngste von insgesamt dreien,
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