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0978 - In den Ruinen von London

0978 - In den Ruinen von London

Titel: 0978 - In den Ruinen von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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näher.
    Carrie überlegte verzweifelt, ob sie das Risiko eingehen sollte.
    Früher hatte ihre Mum ihr gepredigt, niemals in den Wagen eines Fremden einzusteigen.
    Carrie entschied, dass diese Regel überholt war. Die Stadt hatte sich verändert. Es gab neue Regeln. Und wenn sie überleben wollte…
    Ungefähr acht Sekunden, nachdem der Junge sein Ultimatum gestellt hatte, riss sie die Beifahrertür auf und warf sich in den Sitz.
    Der BMW beschleunigte aus dem Stand heraus wie eine Rakete. Der Schwung ließ die Wagentür ohne weiteres Zutun zuschlagen.
    »Wohin?«, fragte der Junge.
    Carrie biss kurz die Zähne zusammen, dann hauchte sie: »Nach Hause. Ich will nur… nach Hause…«
    ***
    »Hier wohnst du?«
    »Noch nicht lange.«
    »Was ist mit deinem Dad, deiner Mum?«
    Carrie schluckte. »Das vorhin war meine Mum.«
    Der Junge musterte sie schweigend. Nach einer Weile hielt er ihr die Hand hin und sagte: »Ich bin Tom.«
    Carrie ergriff die Hand und schüttelte sie vorsichtig. »Carrie Bird.«
    »Wo ist dein Dad?«
    »Im Garten.«
    Tom spähte durch die Seitenscheibe. »Ich seh niemanden.«
    Carrie öffnete die Tür. »Danke fürs Bringen.«
    »Hey! Du kannst dich nicht einfach so verdrücken!«
    Carrie sank in den Sitz zurück, blickte Tom fragend an. Und auch ein wenig ängstlich. »Tu mir bitte nichts«, sagte sie.
    Offenbar begriff er da erst, dass er ihr Furcht eingejagt hatte. »Ich tu dir schon nichts, so war das nicht gemeint. Bestimmt nicht. Aber du und ich - uns verbindet was. Wir… wir scheinen die große Ausnahme zu sein. Vor dir bin ich noch keinem begegnet, der nicht davon betroffen war.«
    »Wovon?«
    »Na, du hast deine Mum gesehen, oder? Kam die dir normal vor, so wie immer?«
    Carrie schüttelte den Kopf.
    »Eben!«
    »Und wenn dein Dad hier irgendwo rumstreunt, sollten wir auf der Hut vor ihm sein. Versteh mich nicht falsch, aber… die sind alle zu Monstern geworden!«
    »Dad tut niemandem mehr was.«
    »Aber wenn er im Garten…«
    Carrie schüttelte den Kopf. »Soll ich dir zeigen, wo er liegt?«
    Auf Toms Gesicht bildete sich ein undefinierbarer Ausdruck. Aber er stieg mit Carrie aus und folgte ihr zu der Stelle, wo sie ihren Vater begraben hatte.
    »Das war heute Morgen noch nicht da«, sagte sie.
    Und das stimmte. Der Strauch, der auf dem Grab ihres Dads wuchs, war neu - und grausam schön.
     
    6.
    Gegenwart
    Zamorras Linienflieger, in dem er noch einen der letzten Plätze ergattert hatte, landete am späten Mittag etwa 55 Kilometer nordöstlich des einstigen Londoner Zentrums auf dem Flughafen Stansted. Während des Anflugs war der Anblick des fünf Kilometer in den Himmel ragenden Nebelklotzes, der die Metropole verschluckte, mehr als imposant gewesen. Und auch jetzt, 12 Monate nach seiner Entstehung, war er immer noch Gesprächsthema Nummer 1 bei sämtlichen Passagieren, deren Unterhaltung Zamorra, wann immer er sie aufschnappte, mit halbem Ohr verfolgte, sich aber nicht selbst daran beteiligte.
    Er erinnerte sich, dass in der Anfangszeit der Flugverkehr in einem Radius von zweihundert Kilometer rund um das Phänomen stillgelegt worden war - ein Zustand, der sich auf Dauer nicht halten ließ. Die Zustände innerhalb des Landes hatten nach dem Wegfall fast des kompletten Regierungsapparats zeitweise bürgerkriegsartige Ausmaße angenommen, und noch heute gab es allenthalben Unruhen. Durch einen glücklichen Zufall hatte sich der Premier mit seinem engsten Stab zum Zeitpunkt der Katastrophe auf einem Staatsbesuch in Australien aufgehalten, sonst wäre das Vereinigte Königreich komplett seiner maßgeblichen politischen Führung beraubt worden.
    Die Regierung hatte in der Folgezeit ihren Sitz nach Birmingham verlegt und arbeitete, wie es offiziell hieß, mit Hochdruck an einer Lösung des Problems. An eine Rückkehr zur Normalität in absehbarer Zukunft wollte laut aktueller Umfragen jedoch nicht einmal ein Prozent der Briten glauben.
    Man arrangierte sich mit dem eigentlich Unmöglichen. Aber geistig zu erfassen vermochte wohl kaum einer, was hier geschehen war.
    Auch Zamorra hatte damit nach wie vor seine Schwierigkeiten. Und das, obwohl er als einer der Wenigen wusste, was tatsächlich zu diesem Super-GAU einer Millionenstadt geführt hatte.
    Er wickelte die üblichen Formalitäten ab und bestieg etwa eine halbe Stunde nach der Landung den für ihn reservierten Leihwagen. Dass er überhaupt so schnell durch die Kontrollen kam, hatte er der Unterstützung höchster Stellen zu

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