098 - Der Kerkermeister
Verfügung stellt. Möglicherweise sogar einige seiner Krieger. Kommt mit, Michele."
Schwankend stand ich auf. Meine Beine schmerzten von der ungewöhnlichen Sitzhaltung.
Pater Covinus war eine beeindruckende Erscheinung. Sein Haar war schneeweiß, und ein gewaltiger aschgrauer Vollbart reichte ihm bis auf die Brust. Er war von meiner Größe und hatte den Umfang eines großen Weinfasses. Seine dunklen klugen Augen funkelten, und seine Stimme klang wie Donnergrollen.
„Nehmt Platz, nehmt Platz", sagte er eifrig, nachdem der Kapitän mich vorgestellt hatte.
Sein Zimmer sah ungewöhnlich aus. In ihm verschmolzen europäische, chinesische und japanische Elemente. Zu meiner großen Freude besaß er auch ein paar Sessel. Dankbar setzte ich mich.
So wenig ich sonst Geistliche mochte - der Pater gefiel mir nicht übel. Seine offene Art sprach mich an.
Ein japanischer Diener brachte Wein, der für meinen Geschmack aber zu süß war. Deshalb verdünnte ich ihn mit ein wenig Wasser.
„Michele da Mosto", brummte der Pater und starrte mich an. „Ich weiß, wer Ihr seid. Ihr seid wegen des Lösegeldes für Euren Freund Franca Marzi gekommen, nicht wahr?"
„Stimmt", antwortete ich. „In Lissabon traf ich Pater Markus, der mir die Bedingungen für die Freilassung meines Freundes mitteilte."
„Eine schlimme Sache, das mit Eurem Freund, da Mosto", sagte der Pater und schüttelte bedauernd den Kopf. „Was kann ich für Euch tun?"
„Ich brauche ein Schiff und ein paar Männer, damit ich nach Tokoyo fahren kann."
Wieder nickte der Pater. „Das wird schwierig sein. Ihr werdet kaum Männer finden, die Euch dorthin bringen werden. Die Warnung des Kokuos, daß niemand die Insel betreten dürfe, hat seine Wirkung nicht verfehlt."
„Wie soll ich dann die zweihundert Musketen hinbringen?"
Der Pater hob bedauernd die Hände.
„Vielleicht könnte Daimyo Minamoto helfen?" warf der Kapitän ein.
Pater Covinus brummte leise, schloß halb die Augen und griff nach seinem Glas.
„Ein Versuch kann nicht schaden", meinte er schließlich. „Ich werde Minamoto bei seiner Ehre packen." Der Jesuit lachte auf. „Die Japaner sind manchmal wie kleine Kinder. Ich werde es schon schaffen, aber ich brauche ein paar Tage Zeit. In diesem Land überstürzt man nichts. Außerdem will ich abwarten, bis Minamoto mit den beiden alten Japanern gesprochen hat, die er nach Europa geschickt hat."
„Sie sind mit meinem Schiff gekommen", warf der Kapitän ein.
„Ich weiß es, mein Freund. Kommt in ein paar Tagen wieder vorbei, da Mosto. Dann kann ich Euch. sicher mehr sagen."
Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Tristao kümmerte sich um mich. Ich durfte in seinem Haus wohnen, und er nahm mich zu einigen europäischen und japanischen Familien mit. Überraschend schnell hatte ich mich an die japanischen Sitten gewöhnt. Das Essen schmeckte mir. Nur die Sprache bereitete mir Schwierigkeiten.
Tristao fuhr nach fünf Tagen los. Er kehrte nach Macao zurück. Sein Haus durfte ich aber weiterhin bewohnen.
Am sechsten Tag nach meiner Ankunft ließ mich Pater Covinus zu sich rufen.
Breit grinsend empfing er mich. Er klopfte mir auf die Schulter und drückte mich auf einen Stuhl. „Es hat geklappt", sagte er kichernd. „Minamoto war von dem Bericht seiner Leute äußerst beeindruckt. Seine Ehrfurcht vor den, Europäern ist gestiegen. Die beiden Männer berichteten nur Gutes über Euch. Besonders beeindruckt aber war der Daimyo von Eurem Verhalten während des Piratenüberfalls. Ich brachte die Sprache auf den Grund Eures Besuches, erwähnte Tokoyo und den Kokuo, der so frech gewesen war anzuordnen, daß niemand seine Insel betreten dürfe. Dann sagte ich, daß Ihr unbedingt hinfahren wolltet, doch daß alle Japaner zu feig seien, um Euch hinzubringen. Das traf seinen Stolz. Feigheit ist die schlimmste Beleidigung, die es für einen Japaner gibt. Er schluckte den Köder. Morgen im Morgengrauen steht eine kleine Dschunke für Euch bereit. Außer den Matrosen befinden sich sechs Samurai-Krieger an Bord, die Euch auf die Insel begleiten werden. Diese sechs Männer sind Krieger, die sich in unzähligen Schlachten bewährt haben."
„Ich danke Euch, Pater", sagte ich erregt. Ich war nahe daran, meine schlechte Meinung über die Jesuiten zu revidieren.
„Nichts zu danken, da Mosto. Darauf müssen wir einen trinken."
Im Morgengrauen holte mich ein Diener ab und brachte mich zum Hafen.
Der Kapitän der Dschunke begrüßte mich auf die übliche
Weitere Kostenlose Bücher