0982 - Die Kinder der Zeitsäufer
wirken.
Als er mit tiefer Stimme zu schimpfen begann, zeigte sich, dass der Eindruck nicht täuschte.
»Raus mit Ihnen! Wie viele Typen Ihres Schlages tauchen hier eigentlich noch auf? Allmählich habe ich die Nase gestrichen voll von euch sensationsgierigem Pack! Verschwinden Sie, bevor ich Sie einbuchte wie den anderen Kerl, der…«
Zamorra hob verteidigend die Arme. »Entschuldigen Sie«, antwortete er auf Spanisch. »Ich weiß nicht, von welchem Kerl Sie sprechen, aber wir sind gewiss nicht sensationslüstern. Mein Name ist Professor Zamorra und ich…«
»Professor, wie? Freut mich kein bisschen, Sie kennenzulernen. Mein Name ist Ruben Hernandez und ich bin der, der Sie vor die Tür setzt!«
»Sind Sie Aramintas Arzt?«
»Sehe ich aus wie ein Arzt?«
Nun ja, so ganz in Weiß. Aber wer im Glashaus sitzt… »Eigentlich nicht.«
»Ich bin von der Polizei und dafür verantwortlich, dass das Mädchen nicht gestört wird. Und wenn Sie glauben, Sie bräuchten nur abwarten, bis ich in der Cafeteria ein Päuschen mache, um sich hereinzuschleichen, unterschätzen Sie die Wachsamkeit der Damen am Empfang.«
»Wir haben uns nicht hereingeschlichen. Wir haben ein persönliches…«
»Das hat dieser Miguel Tirado auch behauptet. Ein penetranter Scheißer, wenn Sie mich fragen. Und jetzt sitzt er in Untersuchungshaft.«
Dylan horchte auf. Bisher hatte er auf Zamorra den Eindruck gemacht, als könnte er bestenfalls jedem zweiten Wort der Unterhaltung folgen. Aber nun hatte er einen Namen gehört, den er kannte. »Miguel Tirado? Haben Sie gerade Miguel Tirado gesagt?«, fragte er auf Englisch.
Hernandez zuckte herum und sah den Schotten eindringlich an. »Ja«, antwortete er in der gleichen Sprache. »Warum?«
Dylan strahlte. »Er ist ein Freund von mir.« Womit er bewies, dass er den Polizisten tatsächlich nicht verstanden hatte. »Ich habe ihn erst auf Aramintas Schicksal aufmerksam gemacht.«
»Sie haben ihn dem armen Mädchen auf den Hals gehetzt?«
An der Wortwahl bemerkte der Schotte, dass etwas nicht nach Plan lief. Das bekam er mit Ruben Hernandez’ nächstem Satz nachdrücklich bestätigt.
»Wenn das so ist, verhafte ich Sie wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses, Hausfriedensbruchs und Behinderung polizeilicher Ermittlungen. Und wenn Sie mir eine Minute Zeit geben, fallen mir sicher ein paar Beschuldigungen mehr ein.«
***
Enrique Moriente, der Bürgermeister von Abruceta, saß vor dem leeren Esstisch. Den Ellbogen stützte er auf die Stuhllehne. Das Gesicht hatte er in der Handfläche vergraben.
Immer wieder erbebte sein Körper unter lautlosen Schluchzern.
Was hatte er nur getan, dass ihm das Schicksal so übel mitspielte?
War es nicht genug, dass Juliana, die Frau, die er über alles geliebt hatte, über lange Jahre hinweg mit einem anderen in die Kiste gehüpft war? Reichte es nicht, dass ihm sein betrügerisches Weib eröffnet hatte, dass Araminta gar nicht seine Tochter war? Genügte es nicht, dass sie ihn hatte verlassen wollen und er sie im anschließenden Streit die Treppe hinuntergestoßen hatte? Es war natürlich keine Absicht gewesen, sondern nur ein Unfall, dennoch hatte es ihn damals all seinen Einfluss gekostet, die Untersuchungen zu verwässern und den Unfallhergang zu verschleiern. Andererseits: So tragisch Julianas Tod war - irgendwie hatte sie es nicht besser verdient!
Wie lange hatte es gedauert, bis er in Araminta endlich wieder seine Tochter hatte sehen können und nicht nur das Kuckucksei, das ihm Juliana und deren Liebhaber ins Nest gelegt hatten? Aber was war ihm anderes übriggeblieben? Schließlich wusste nicht einmal Aramintas wirklicher Erzeuger etwas davon! Seit über zwanzig Jahren war Moriente jetzt Bürgermeister. Da konnte er sich kein Gerede erlauben!
Und dann, als er das Mädchen endlich anzusehen vermochte, ohne sich bildlich vorzustellen, wie Juliana und ihr Lover das Kind zeugten - da verliebte sich das dumme Gör!
Aber nicht in irgendwen. Das wäre dem Schicksal zu billig gewesen. Sie verliebte sich in ihren Halbbruder! Natürlich wusste sie nicht, dass Alejandro Cruz nicht nur Javiers, sondern auch ihr Vater war. Der sich nicht einmal ein Jahr nach dem Tod seiner eigenen Frau so sehr von der eines anderen hatte trösten lassen, dass er ihr dabei versehentlich ein Kind machte.
Nein, davon ahnte Araminta nichts -und er konnte es ihr nicht sagen.
Aber wer dachte, dass es dem Schicksal damit reichte, sah sich getäuscht.
Zum zweiten Mal nahm es ihm
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