0982 - Die Kinder der Zeitsäufer
die Polizei, was schließlich Ruben Hernandez auf den Plan rief.
Als er Tirado wegschaffen ließ, rief dieser zu allem Überfluss noch: »Ihr werdet die Wahrheit nicht vertuschen können! Es werden andere kommen, die sie ans Licht zerren!«
So beschloss Hernandez darauf zu warten, dass jene anderen kämen.
Dann tauchten Zamorra und Dylan auf.
Der Schotte überlegte, wie viel er Hernandez erzählen durfte, ohne damit kaputtzumachen, was der Meister des Übersinnlichen in der letzten Viertelstunde erreicht hatte.
»Wir wissen selbst nicht, was dieses Phänomen auslöst«, sagte er. »Aber es ist nicht das erste Mal. Vor einigen Monaten kam es in Deutschland zu ähnlichen… Fällen. Wir würden gerne herausfinden, ob ein Zusammenhang besteht.«
Zamorra zeigte auf das Bett. »Sie erlauben?«, fragte er Hernandez.
Dieser nickte und der Parapsychologe setzte sich auf die Bettkante neben der alten Frau.
»Trotzdem verstehe ich Ihr Interesse nicht«, wandte sich der Polizist in akzentgefärbtem Englisch an Dylan.
Hör dir seinen Tonfall an! Er kann dich immer noch nicht leiden.
Natürlich nicht. Schließlich bist du daran schuld, dass sich Miguel hier eingeschlichen hat.
»Wie ich schon sagte…«
Hernandez winkte ab. »Sie sind kein Arzt, kein Polizist, kein Reporter, kein Verwandter. Vielleicht sollte ich Sie doch verhaften. Ich verstehe nicht, warum ich es nicht längst getan habe.«
Das verstand Dylan allerdings auch nicht. Er vermutete, dass Zamorra mit einer kleinen magischen Hypnose nachgeholfen hatte, die den Mann mit dem Panamahut zwar nicht zu einem willenlosen Werkzeug gemacht, aber immerhin dessen negative Grundeinstellung ihnen gegenüber aufgeweicht hatte.
»Wie können Sie sich überhaupt sicher sein, dass das Araminta ist?«, fragte Dylan in dem Versuch, von seinem Erklärungsnotstand abzulenken. »Wenn man eine alte, verwirrte Frau im Wald findet, kommt man ja nicht gleich drauf, in Wirklichkeit ein vermisstes Mädchen vor sich zu sehen.«
Er war erstaunt, als es funktionierte.
Hernandez hob einen Finger. »Schülerausweis in der Jacke.« Dann einen zweiten Finger. »Leicht identifizierbare Narbe an der Stirn. Zwar verblasst, wie man es… nun ja, von einer Neunzigjährigen erwarten würde. Aber man kann sie noch erkennen.« Noch ein Finger. »Und drittens haben die Männer, die sie im Wald gefunden haben, sie nach ihrem Namen gefragt. Araminta Moriente - das waren ihre letzten Worte vor der Bewusstlosigkeit.«
»Die Ärzte tappen noch im Dunkeln?« Natürlich wusste Dylan, dass die Diagnose Gosh-Kuss kein Mediziner dieser Welt stellen würde. Ihm kam es auch nicht auf die Antwort an, sondern er versuchte, das Gespräch in Gang zu halten.
»Sie haben mit einigen Fachbegriffen um sich geworfen, die niemand versteht und hinter der sie ihre Ratlosigkeit versteckten. Denn es gibt da einen Umstand, den man sich auch mit einer Krankheit nicht erklären kann.«
»Welchen denn?«
»Nicht nur das Mädchen ist innerhalb eines Tages um Jahrzehnte gealtert. Das könnte man noch als medizinisches Phänomen abtun. Dass aber auch Aramintas Kleidung alt und brüchig war, lässt sich damit nicht mehr begründen.«
***
»Araminta!«
Da! Endlich war die Stimme zurückgekehrt! Seit sie sie zuletzt gehört hatte, war so viel Zeit vergangen. Oder war es gerade erst gewesen?
In der Dunkelheit ihrer bewussten Bewusstlosigkeit hatte sie jegliches Zeitgefühl verloren.
»Araminta!«
Augenblick! Das war nicht die gleiche Stimme. Die hier klang einschmeichelnder, weicher - und zwingender.
Es war, als packe die Sprechweise sie am Schopf und zerre sie aus dem Morast ihrer Finsternis. Zuerst spürte sie noch Widerstand, doch dann durchbrach sie die Membran.
Sie öffnete die Augen.
Und erblickte einen gut aussehenden Mann im weißen Anzug, der sie anlächelte.
Ein Arzt?
In einer Sprache, die sie nicht verstand, sagte er: »Sie ist wach!«
***
Dylan fuhr herum.
In den letzten Minuten war er so gefesselt gewesen von der kaum zu begreifenden Tatsache, dass Ruben Hernandez sich mit ihm unterhielt, ohne den Eindruck zu machen, ihn auf der Stelle fressen zu wollen. So hatte er nicht mehr auf Zamorra geachtet.
»Was?«
»Sie ist wach«, wiederholte der Professor.
Er saß auf der Bettkante und hielt Aramintas Hand.
Ihr Blick irrlichterte durch den Raum, streifte Dylan und Hernandez und blieb an Zamorra hängen.
»Wo bin ich?«, wollte sie wissen.
Dylans Touristenspanisch war reichlich eingerostet, aber für
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