0983 - Die Schamanin
Weiß, konnten nur so schauen. Dann verzog sich ihr Mund. »Ich war auf der Reise. Ich habe alles gesehen. Ich habe die Grenzen überwunden.« Sie mußte pausieren, um wieder Kraft zu finden. Dann hatte sie sich gefangen und sprach weiter. »Aber ich wurde behindert. Von einer Frau…« Ihre Worte sackten ab. Sie mußte erst wieder neue Kraft schöpfen. »Von einer verdammten Frau, dachte ich zunächst…«
Bill kam mit dieser Erklärung nicht zurecht. Er konnte sich auch nicht vorstellen, welche Frau diese Person gestört haben sollte, aber sie fing sich rasch und kam zur Sache. »Ich war bei der Frau. Ich habe sie auf meine Art und Weise besucht.« Plötzlich grinste sie scharf. »Es ging alles gut. Sie war verunsichert. Sie hatte Angst. Sie schrie sogar, als ich mit ihr das machte, was ich wollte. Aber dann war alles anders.«
»Wieso denn?«
»Sie bekam Besuch«, flüsterte Imelda. »Ich konnte ihn sehen. Ein Mann besuchte sie.«
»Und?«
»Alles war anders.«
Zwar hatte Bill einiges erfahren. Für ihn aber standen noch zu viele Rätsel offen. Er wollte sie der Reihe nach gelöst wissen und fragte deshalb: »Wer ist diese Frau gewesen?«
Wieder glotzte ihn Imelda so schrecklich starr an. »Du kennst sie. Du mußt sie kennen. Es war deine Frau…«
***
Beinahe wäre es Bill Conolly so gegangen wie Imelda. Im letzten Augenblick konnte er den Schrei noch zurückhalten. Er spürte nur, wie etwas heiß durch seinen Körper fuhr, sich im Kopf festsetzte und dort zu einem regelrechten Brennen wurde. Als er die Hände zu Fäusten ballte, spürte er den kalten Schweiß.
»Sheila…?«
»Ja, so heißt sie wohl.«
»Du warst bei ihr?« Seine Stimme zitterte, weil er eine Heidenangst wegen Sheila bekommen hatte.
Imelda lächelte kalt. »Ich bin nicht bei ihr gewesen. Ich lag doch auf der Liege.«
»Dann war es…«
»Ja, mein Geist. Ich habe ihn auf die Reise geschickt. Er hat die Grenzen überwunden. Er ist in die Stadt eingedrungen, in der du mit deiner Frau lebst. Ich habe sie besucht. Deine kleine Sheila. Und es hat mir gutgetan«, gab sie mit einem breiten Grinsen zu.
Bill hatte Mühe, auf dem Stuhl sitzen zu bleiben. Er riß sich zusammen, um auch die Frage einigermaßen normal aussprechen zu können. »Was hast du mit ihr getan? Verdammt! Was hast du gemacht? Ich will es wissen! Rede endlich!«
Imelda amüsierte sich über Bills Sorge. Sie zeigte sogar ein breites Lächeln und sah dabei aus, als würde sie im nachhinein alles noch einmal genießen. »Ich habe ihr nichts getan, Bill. Ich habe nur mit ihr gespielt, verstehst du?«
»Nein.«
»Sie war erregt!«
»Bitte?«
Imelda lachte. Aber es war kein richtiges Lachen. Es hörte sich mehr an wie ein Krächzen. Dabei klang es so abgehackt, als wollte sie ihren Raben imitieren.
»Was war sie?« schrie Bill.
»Erregt!« Die Antwort klang wieder normal. »Ich habe dafür gesorgt, wenn du verstehst, mein lieber Freund.«
»Nein, das verstehe ich nicht!«
»Sexuell erregt!«
»Ach ja? Und weiter?«
»Nichts weiter. Ich wollte es so. Sie hat alles gespürt.« Imelda beugte den Kopf vor. »Manchmal ist mein Geist wie ein Mensch. Dann besucht er andere. Er ist unsichtbar, aber er wird von meinen Gedanken geleitet, und er tut genau das, was ich will. Und ich wollte an deine schöne Frau heran, Bill.«
»Du bist eine - eine…«
»Gib es auf. Es hat mir Spaß gemacht, deine Sheila so überrascht zu erleben. Sie wußte nicht, was geschehen war, aber ich habe sie an bestimmten Stellen berührt. Soll ich dir sagen, welche es waren?«
»Laß es sein!« zischte Bill. »Ich will so etwas nicht hören.«
»Prüde?« höhnte sie.
»Das hat damit nichts zu tun. Aber es gibt Grenzen, verdammt noch mal!«
»Wie du willst.«
»Was wolltest du von ihr?«
Imelda schaute Bill erstaunt an, bevor sie laut anfing zu lachen. Als sie gestoppt hatte, höhnte sie: »Ausgerechnet du fragst mich so etwas? Ausgerechnet du?« Das Gesicht verlor einiges von der Starre, sah aber trotzdem nicht so aus, als würde es leben. »Nein, Bill, wie kannst du das nur fragen? Ich will dir die Antwort trotzdem geben.«
»Wie nett!«
»Laß den Sarkasmus. Du bist doch gekommen, um mich zu befragen. Du wolltest über mich schreiben. Ich habe zugestimmt. Es ist zwar schon einiges über mich erschienen, daher hast du bekanntlich deine Informationen, aber das waren nur Anreißer, kaum mehr. Mit dir habe ich etwas Besonderes vorgehabt. Ich weiß nicht, ob mir die anderen geglaubt haben,
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