0983 - Die Schamanin
geschafft. Er durchstieß mit dem Kopf die Oberfläche, und keine Wasserpflanze hielt seine Beine umschlungen.
Bill schleuderte seine nassen Haare zurück. Das an seinem Gesicht herabrinnende Wasser hatte ihn kurzzeitig blind gemacht. Und als er dann die Augen aufriß, hing vor ihnen noch ein Wasserschleier.
Das änderte sich rasch, und Bill traf die Überraschung wie ein Peitschenschlag.
Er befand sich nicht allein in diesem ungewöhnlichen Pool, denn nicht weit von ihm entfernt und auch vor ihm sah er Imeldas Gesicht. Sie schwamm auf der Stelle und trat dabei Wasser.
Sie lachte ihn an, aber Bill konnte dieses Lachen nicht zurückgeben und verstand auch nicht ihren Humor, als sie hintergründig lächelnd fragte: »Bist du gestolpert?«
»Das wohl weniger.«
Imelda lachte ihn über die Wasserfläche hinweg an. »Ein Bad tut immer gut«, sagte sie. »Spürst du nicht, wie erfrischend das Wasser ist? Ach nein«, korrigierte sie sich selbst. »Du bist nicht nackt wie ich. Schade, es wäre schön gewesen.«
Bill konnte sich etwas Besseres vorstellen, als mit dieser widerlichen Person etwas anzufangen. Er wollte auch nicht auf sie eingehen, sondern so schnell wie möglich diesen ungewöhnlichen Pool verlassen.
Deshalb versuchte er abzuschätzen, wie weit das Ufer von ihm entfernt war.
Ziemlich weit.
Etwa in der Mitte des Schwimmbeckens waren sie gelandet. Jetzt kamen ihm die am Ufer wachsenden Pflanzen noch dichter vor. Aus seiner Lage wirkten sie auch größer.
Plötzlich bewegte sich zwischen ihm und dem Ufer das Wasser. Einen Grund für die plötzlichen Wellen sah er nicht. Sie schwappten auf ihn zu.
Zunächst waren sie klein, wurden größer und schafften es sogar, über ihn hinwegzurollen.
Bill wußte, daß es zu spät war. Dieses verdammte Schwimmbecken hielt im dunklen Wasser noch ein Geheimnis fest.
Nicht mehr.
Plötzlich schnellte es hoch.
Das Wasser schäumte auf, als wollte es sich in grüngraues Glas verwandeln. Etwas Breites, Dunkles erschien aus der Tiefe. Wasser rann an dem länglichen Gegenstand entlang, und plötzlich klaffte das Gebilde auseinander, und Bill starrte erschreckt in ein offenes Maul mit großen, tödlichen Zähnen.
Es war der Schlund eines Krokodils!
***
Schweigen kann wunderbar sein, aber auch schrecklich. Bei Sheila und mir traf die letzte Möglichkeit zu, denn wir waren beide ratlos und schwiegen uns an.
Ich war in die Küche gegangen und hatte uns etwas zu trinken besorgt, aber Sheila rührte ihren Orangensaft nicht an. Sie hockte wie eine Statue im Sessel, eine Hand gegen die Stirn gelegt, als müßte sie ihren Kopf abstützen.
»Ich weiß nicht mehr, wie es weitergehen soll, John«, unterbrach sie das Schweigen. »Bitte«, sie löste die Hand von der Stirn, »ich möchte dir keine Vorwürfe machen, fast scheint mir, es wäre besser gewesen, du hättest mich von dieser Person nicht befreit. Dann hätte ich mich vielleicht erkundigen können, wo Bill…« Sie winkte ab. »Es hat doch keinen Sinn, verdammt!«
Sheila war verbittert und verzweifelt. Das konnte ich gut verstehen. Sie war auch nicht mehr in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Ich aber mußte mich von meinen Gefühlen befreien, was mir natürlich schwerfiel, denn auch mir ging das Erlebte an die Nerven, obwohl es nicht schlimm für mich persönlich gewesen war, aber ich fühlte mich trotz allem mit Bill Conollys Schicksal eng verbunden und stand ebenfalls dicht davor, mir Vorwürfe zu machen.
Sheilas Blick rührte mich. Sie erwartete von mir keine Lösung, zumindest einen Vorschlag, aber auch ihn zu finden, war schwer.
»Was sollen wir denn machen, John?« Sie hob die Schultern. »Du weißt, daß ich keine Jammertante bin, aber ich fühle mich in dieser Lage einfach überfordert. Ich sehe keinen Ausweg mehr. Wären Dämonen in dieses Haus eingedrungen, hätten wir Gegner gehabt. Wir hätten gewußt, gegen wen wir uns verteidigen sollen, so aber sehe ich mehr als schwarz. Die Feindin lauert, sie hält uns unter Kontrolle, sie weiß mehr als wir, sie ist auf eine besondere Art und Weise stark, und sie hat den Zugang zu mir gefunden.«
Ich nickte Sheila zu. »Genau das ist der Punkt, an dem wir ansetzen sollten.«
»Wieso?«
»Gehen wir mal davon aus, daß du nichts mit dieser Imelda zu tun gehabt hast.«
»Richtig. Nie im Leben!«
»Okay. Und trotzdem war sie hier.«
»Ja, das ist wahr.« Sie runzelte die Stirn. »Was willst du damit sagen, John?«
»Eigentlich nicht viel. Extrem könnte es
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