0983 - Die Schamanin
schon werden, denn da muß es doch eine Brücke gegeben haben, über die Imeldas Zweitkörper gegangen ist, um dich zu erreichen.« Ich legte eine Pause ein, was Sheila nicht gefiel. »Sprich weiter. John.«
»Okay. Es sind nur Gedanken, aber ich möchte sie schon zu Ende bringen. Die Brücke ist natürlich keine normale, das steht fest. Ich denke mir, daß es eine geistige Brücke ist, die aufgebaut wurde, und es gibt einen Beschleuniger.«
»Bill?«
»Das denke ich.«
Sheila hatte den Namen ihres Mannes ausgesprochen wie jemand, der es nicht glauben kann. Jetzt gab sie die Erklärung. »Nein, ich will es nicht. Es würde bedeuten, daß du Bill die Schuld daran gibst, daß uns dieser Geist gefunden hat.«
»Ja, Sheila.«
»Du bist verrückt.«
»Nicht direkt, kann ich mir denken. Bill ist allein. Ihm gegenüber steht eine sehr mächtige und starke Frau.« Sheila hörte mir gebannt und auch leicht zitternd zu. »Diese Frau verfügt über Kräfte, die wir beide als annormal oder übermenschlich ansehen. Deshalb könnte ich mir vorstellen, daß sie es auch geschafft hat, Bill in ihren Bann zu ziehen und die entsprechenden Informationen aus ihm herauszuholen.«
Sheila öffnete den Mund. Sie sprach noch nicht und mußte erst nachdenken. »Du meinst, er hat, ohne es zu wollen, über seine private Sphäre berichtet.«
»Ich würde es nicht ausschließen.«
»Dann hat sie gewußt, wie ich heiße und wo ich wohne.«
»Und konnte somit ihren Astralleib auf den Weg zu dir schicken, denn Grenzen gibt es für eine derartige Erscheinung nicht.«
Sheila schwieg. »Ja, das wäre eine Möglichkeit.« Sie nickte wieder. »Ich rechne sogar damit. Aber was wollte sie von mir?«
»Das hast du doch erlebt.«
»Sexuelle Belästigung?« Sie verzog den Mund, um ihre Zweifel anzudeuten.
»So hast du es erlebt.«
»Das verstehe ich nicht. Meine Güte, wir haben oft genug mit Dämonen zu tun gehabt. Sexuelle Belästigungen hat es nie gegeben und…«
»Sheila, Moment mal. Diese Imelda ist keine Dämonin. Sie ist eine Frau. Sie ist ein menschliches Wesen und wird ebenfalls Gefühle haben und möglicherweise Frauen zugeneigt sein. Aber ich will darauf nicht herumhacken, sondern das fortführen, was ich mir denke. Möglicherweise waren diese Belästigungen erst der Anfang. Das dicke Ende hätte noch nachkommen können.«
»Was meinst du denn damit?«
»Sorry, da muß ich passen. So weit reicht meine Phantasie eben leider auch nicht.«
Sie gab mir recht. Ich entdeckte es auf ihrem Gesicht. Sheila dachte auch nach. Sie flüsterte vor sich hin. Ich verstand nicht, was sie sagte, aber als sie zu einem Ergebnis gekommen war, da redete sie lauter.
»Wenn Bill ihr sein Privatleben offenbart hat, wie wir beide meinen, dann muß es nicht nur bei meiner Person geblieben sein. Verstehst du, worauf ich hinaus will, John?«
»Ja, aber rede weiter.«
Sheila war während meiner Antwort noch bleicher geworden. »Dann wird er auch von Johnny erzählt haben.«
»Genau. Und wo steckt er jetzt?«
»Er wollte mit Freunden ins Kino gehen.« Sie sprach flüsternd ins Leere.
»In welchen Film?«
»Ein Katastophenfilm.«
»Okay. Wo wird er gespielt?«
»In mehreren Kinos, denke ich.«
»Wer kann wissen, in welches Kino die Jungen gegangen sind?«
Sheila sprang auf. »Moment, John, ich rufe jemanden an. Eine andere Mutter.«
Plötzlich war es mit ihrer Starre vorbei. Schon hektisch bewegte sich Sheila durch den Raum. Die Nummer kannte sie auswendig. Sie preßte den Hörer ans Ohr und flüsterte immer wieder: »Heb doch ab, Carol, heb ab…«
Endlich hatte sie eine Verbindung bekommen. Sheila riß sich zusammen. Mit normaler Stimme erkundigte sie sich bei der anderen Mutter, in welches Kino die Kinder gegangen waren.
Die Frau war informiert. Ich sah, wie Sheila aufatmete. »Und das stimmt wirklich?«
Carol sprach so laut, daß ich sie hören konnte. »Ja, und sie hatten vor, in eine der frühen Vorstellungen zu gehen, weil sie anschließend noch einem Techno-Café einen Besuch abstatten wollten. Wie heißt das?«
Sheila wiederholte den Namen. »Danke, Carol, dann weiß ich Bescheid. Vielen Dank.«
»Ist denn was passiert?«
»Nein, nein, ich wußte nur nicht, wo Johnny steckt. Ich bin soeben erst zurückgekommen. Er hat wohl gestern davon gesprochen, ins Kino zu gehen, aber du weißt ja selbst, wie schnell die Jugendlichen ihre Meinungen ändern.«
»Diesmal nicht.«
»Danke, Carol.«
Da ich wußte, was folgen würde, war ich schon
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