0983 - Schwingen des Verderbens
gesehen hatte. Wie hatte ihr Herz geklopft, als sie mit ihm allein auf der Wiese war und er sie küsste…
Wie gern hätte sie ihren Vater Enrique hier am Krankenbett gehabt. Sie wusste bis heute nicht genau, was der Bürgermeister und wohlhabendste Einwohner des Bergdorfs Abruceta gegen Javier und seinen Vater Alejandro hatte. Sie ahnte bis heute nicht, dass Javier ihr Halbbruder war und Enrique Moriente die eigene Ehefrau, Aramintas Mutter, getötet hatte.
Araminta verlor sich in ihren Gedanken. Sie wollte doch unbedingt durchhalten, bis der französische Professor kam, der sie jeden Tag besuchte. Sie hatte etwas auf dem Herzen, das sie ihm unbedingt erzählen musste.
Ihm allein.
Er würde sie verstehen, dessen war sie sicher.
Sie war so müde… so unendlich müde…
So…
Sie brachte nicht mehr genug Kraft auf, die Augen offen zu halten…
***
Die Gelegenheit zu verschwinden war günstig, während José und Luis überlegten, ob sie Nicole Duval erlauben sollten, das Gelände allein zu erkunden. Und die Französin hatte auch wirklich vor, nur um den Eingang zur Höhle herum nachzusehen, ob sie Spuren finden konnte, die das Team der Spurensicherung übersehen hatte, weil sie keine Magie kannten. Eventuell konnte Nicole sogar Zamorras Amulett zu Hilfe rufen; damit sollte jede ihrer Untersuchungen beschleunigt und als gesichert betrachtet werden.
Außerdem wollte sie ausprobieren, ob sie das Drängen, in die Höhle zu gelangen, auch hier verspürte.
Als José von Nicole zu der Baumreihe blickte, die sie begutachten wollte, griff sie in die Tasche ihrer Jeansjacke und umfasste den Dhyarra. Für eine Aktivierung des magischen blauen Sternensteins genügte bloßer Hautkontakt sowie eine bildhafte Vorstellungsgabe. Und darin war Nicole die Meisterin schlechthin. Als José dann seinen Kollegen Luis ansah und fragte: »Was meinst du? Bevor er wegfuhr, sagte Ruben, dass wir gut aufpassen sollen, damit Señora Duval nichts geschieht!«, konzentrierte sich Nicole auf den Sternenstein und sorgte in Gedanken dafür, dass sie und der Rucksack auf ihrem Rücken unsichtbar wurden. Weder die zwei Polizisten noch ihre Kollegen von der Spurensicherung hatten das in den wenigen Sekunden der Ablenkung bemerkt.
»Eigentlich kann nichts passieren«, antwortete Luis, der grauhaarige Gesetzeshüter. Aber da war Duval schon am Eingang zur Höhle.
Sobald sie den Eingang hinter sich gelassen hatte, konnte sie die Unsichtbarkeit aufgeben. Aber jetzt war es wichtiger, dass sie durch das Gestein hindurch kam.
Die Französin trat an den Felsen heran, sie schloss die Augen, hob die Hände in Bauchhöhe, und streckte sie vor. Sie gab dem Dhyarra einen weiteren Befehl: Nicole stellte sich vor, dass sie durch das Gestein hindurchlaufen könnte, ohne Schaden zu nehmen.
Und tatsächlich…
Beide Hände versanken im massiven Fels.
Den Händen folgte der Rest von Nicole Duvals Körper. Als sie nach wenigen Sekunden einige Meter hinter dem Eingang stand, gab sie die Unsichtbarkeit auf. Es kostete sie zu viel Energie, sich ständig auf zwei Befehle gleichzeitig zu konzentrieren. Das Laufen durch Gestein kam ihr vor als würde sie durch zähflüssiges Wasser waten. Sie kam verhältnismäßig schnell voran und doch wurde sie irgendwie festgehalten.
Sie schaltete die Taschenlampe an und sah sich im Gang um, überall lagen Steine verschiedenster Größen. Sie reichten Nicole etwa bis zu den Hüften. Die Französin presste die Lippen zusammen. Wer sich im Augenblick des Einsturzes innerhalb des Ganges befunden hatte, hatte nicht die Spur einer Chance gehabt zu entkommen.
So, Vorstellung beendet, dachte Zamorras aparte Gefährtin. Auch mithilfe des Dhyarras konnte sie keine Spuren entdecken, die ihr weiterhalfen. Am besten wird es sein, wenn ich mich gleich wieder nach draußen auf mache, damit sich Luis und José nicht um mich sorgen. Alles Weitere erledige ich, wenn Zamorra und Hernandez wieder vom Krankenhaus zurückkommen.
So war ihr Plan gewesen, nachdem der Professor mit dem Kommissar nach Granada fuhr.
Sie hob noch einmal den Kopf und blickte den Gang entlang. Sie kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können.
Ein Licht flackerte mehrmals kurz auf und strich an den Wänden entlang. Dann verlosch es wieder. Ein paar Sekunden später flackerte es erneut auf, allerdings etwas weiter entfernt. Wieder etwas später befand es sich noch weiter weg von Duval.
Die Parapsychologin schüttelte kurz den Kopf. »Was ist denn das?«,
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