0990 - Planet der Glücksbringer
das Fahrzeug in eine Position, von der aus sie den Einschnitt und die hinter ihm liegende Felsenschlucht übersehen konnte.
„Verdammt, ist das eng", brummte Valba Sringhalu.
Bitterer Ärger quoll in Larsa auf. Das falsche Wort zur falschen Zeit. Sie wußte nicht, woher ihr diese Erkenntnis kam, aber sie hatte keinen Zweifel, daß damit der Bann gebrochen war. Sie brauchte sich nicht einmal umzusehen. Sie härte, wie Rubin in seinem Sitz unruhig wurde. Er gab ein halblautes Achzen von sich, und dann die Frage: „Mein Gott, wo bin ich?"
*
Valba hielt den Jungen bei den Schultern und rüttelte ihn.
„Das wirst du mir nicht antun", schrie sie in höchstem Zorn. „Zwei Stunden lang hab ich den Mund gehalten und still gesessen. Du kommst mir nicht jetzt, im entscheidenden Augenblick, wieder zu dir und tust so, als wäre nichts gewesen, hörst du?"
„Hör auf !„ sagte Larsa ärgerlich. „Er kann nichts dafür. Es war deine eigene Schuld."
Valba sank in sich zusammen. Einen Augenblick lang sah es so aus, als wolle sie zu weinen anfangen.
Larsa empfand Mitleid mit ihr.
Der Spalt gähnte unmittelbar vor dem Bug des Gleiters. Im Hintergrund der Schlucht war es Nacht, die Strahlen der tief stehenden Sonne reichten nun nicht mehr bis dorthin. Rubin schwieg. Seine Miene verriet, daß er keine Ahnung hatte, was hier vorging. Larsa kippte zwei Fahrtschalter, und das Fahrzeug trieb langsam auf den Einschnitt zu.
„Wir sehen uns wenigstens um", sagte sie zu Valba. „Aus dieser Schlucht führt kein Weg hinaus. Was der Junge uns zeigen wollte, muß ganz in der Nähe sein."
Valba antwortete zunächst nicht Aber als Larsa den Gleiter unmittelbar vor der von Nordwest nach Südost verlaufenden Linie des Schlagschattens absetzte, fragte sie: „Was suchen wir eigentlich?"
„Das Buch Odom."
„Mach keine schlechten Witze. Hier? In dieser Felseinöde?"
Larsa hatte während ihrer Antwort den Jungen scharf im Auge behalten. Er zeigte keine Reaktion. Nichts deutete darauf hin, daß er vom Buch Odom jemals gehört hatte.
„Was die Kristallintelligenz ein Buch nennt, ist wahrscheinlich nicht ein Buch in unserem Sinn", sagte sie zu Valba. „Keine Mikrofilmrolle, kein Speicherplättchen, auch kein gebundener Band aus Papier. Der Begriff >das Buch Odom< steht gleichbedeutend für die Summe philosophischer Überlegungen, die das Fremdwesen angestellt hat. In welcher Form das Buch existiert, wissen wir nicht. Aber ich nehme an, daß es hier irgendwo ein Versteck gibt, in dem es aufbewahrt wird."
„Nicht die Summe", sagte Rubin in diesem Augenblick, „nur den dritten Teil der Summe."
Larsa wandte sich ihm zu vorsichtig, um ihn nicht zu erschrecken.
„Wer sagt das? Du, Rubin?"
Der Junge zeigte ein verlegenes Lächeln.
„Ja, keine Angst, das bin ich", antwortete er. „Rubin Frekk. Es kam mir nur so in den Sinn. Es gibt drei Bücher. Odom ist das mittlere. Davor liegt ..." Er strengte sein Gedächtnis an. „... Taknar, und danach kommt Merison."
„Und wo sind die drei Bücher?"
Das Lächeln sehwand.
„Ich weiß es nicht", sagte Rubin. „Die Namen der Bücher sind alles, woran ich mich erinnere."
Larsa ließ die Schultern sinken. Einen Augenblick lang hatte sie die wilde Hoffnung empfunden, die Kristallintelligenz hätte Hinweise in Rubins Bewußtsein hinterlassen. Fingerzeige, die ihr helfen würden, das Versteck der Bücher zu finden.
„Wenn wir uns umsehen wollen", sagte Valba, „fangen wir am besten gleich an. Es wird finster draußen."
Larsa versuchte, die Finsternis im Hintergrund der Schlucht mit ihrem Blick zu durchdringen.
„Wenn es hier einen Zugang zu einem Versteck im Innern der Felsen gibt", sagte sie, „wo würdest du mit der Suche beginnen?"
„Wo die Schlucht endet", antwortete Valba, ohne zu zögern. „Aber das ist natürlich meine menschliche Logik. Wer weiß, wie Kristallintelligenzen über solche Dinge denken."
Das sagte sie mit so viel komischer Verzweiflung, daß Larsa unwillkürlich auflachte. Sie wog ihre Optionen gegeneinander ab. Im Lauf der Nacht konnten sie den Hintergrund der Schlucht oberflächlich untersuchen, aber die Detailarbeit mußte warten, bis der Tag anbrach. Dazwischen ein paar Stunden Schlaf - ja, so würde es gehen. Sie griff den Handscheinwerfer und stieg aus.
Inzwischen war es fast völlig dunkel geworden. Sie ließ den Lichtkegel des Scheinwerfers ziellos über die grauen Felsen spielen und suchte nach einem Anhaltspunkt, der ihr verriet, in welcher
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