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0992 - Der Judasbaum

0992 - Der Judasbaum

Titel: 0992 - Der Judasbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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es Lücken. Darin schimmerte das braune Wasser, und manche dieser Stellen sahen aus wie Augen, deren Blicke gegen den bedeckten Himmel gerichtet waren.
    »Er steigt also aus der Tiefe hoch?« fragte ich bei Roland Schneider nach.
    »Nichts anderes tut er.«
    »Und weiter?«
    »Sie müssen es abwarten, wenn Sie ihn sehen wollen. Aber ich sage Ihnen, er ist gefährlich, und Sie werden wohl nicht mit dem Leben davonkommen. Wenn Sie gläubig sind, dann beten Sie. Es könnten die letzten Worte in Ihrem Leben gewesen sein.«
    Der Ernst in seiner Stimme war nicht zu überhören gewesen. Ich fühlte mich angespannt, auf meinem Rücken rann wieder der Schweißtropfen nach unten, vielleicht war es auch ein neuer. Jedenfalls kam er mir vor wie ein Signal.
    Ich spürte etwas.
    Unter meinen Füßen schwankte der Boden leicht. Er mußte seine Festigkeit innerhalb von Sekunden verloren haben und war zu einem wirklichen Sumpf geworden.
    Zugleich bewegte sich die Fläche vor uns.
    Plötzlich schlug sie Wellen. Es beschränkte sich nicht nur auf das Wasser, auch die sumpfige Masse machte mit. Sie wurde in die Höhe gehoben und folgte den Gesetzen einer mächtigen, für uns nicht sichtbaren Kraft.
    Ein Strudel entstand weiter vor uns. Das Wasser wurde hineingezerrt dann wieder hochgeschleudert als eine schmutzige Fontäne.
    Und die Bewegungen unter unseren Füßen stoppten nicht. Der Untergrund schwankte, er wurde saugender. Als ich einen Blick vor meine Füße warf, da sah ich, wie dunkles Brackwasser aus irgendwelchen neu entstandenen Rinnen gesickert war.
    Die Ausläufer dessen, was vor uns passierte, bekamen auch wir zu spüren, und es wurde immer gefährlicher, auf der Stelle stehen zu bleiben und zu warten.
    Ich wollte zurückgehen, kam nur einen Schritt weit, denn plötzlich geschah das Unglaubliche.
    Aus der Tiefe des Sumpfes erhob sich der unheimliche und unbegreifliche Judasbaum…
    ***
    Auch für Harry Stahl, der in der letzten Zeit schon einiges erlebt hatte, war es kaum zu fassen. Aus den Augen des Killers strömte diese dicke Flüssigkeit, ein unheimlicher Sirup, dessen Existenz sich der Agent nicht erklären konnte. Aber er wurde an den Fall der Blutenden Bäume erinnert, denn dort waren diese seltsamen Säfte auch hervorgetreten.
    Nur saß hier ein Mensch vor ihm. Das Zeug lief an seinem Gesicht entlang, fiel zu Boden, und jeder Tropfen schlug hart auf, im Takt eines besonderen Uhrwerks.
    Stahl war ins Schwitzen geraten. Er fuhr immer wieder durch sein Gesicht. Sein Mund stand offen, während Rocky jaulte und noch immer an seinem Hosenbein zerrte, was der Mann kaum zur Kenntnis nahm, denn er wollte auch nicht weg.
    Was er hier zu sehen bekam, war faszinierend, unglaublich und zugleich makaber.
    Vor ihm blutete ein Mensch aus, ohne ein direktes Blut abzusondern. Mit der Flüssigkeit konnte Harry nicht viel anfangen. Sie war dunkel, und sie schimmerte ölig.
    Im Kopf des Mannes mußte sie einen großen Druck erzeugt haben, denn sie quoll nicht nur aus den Augen, auch der Mund und die Nasenlöcher wurden in Anspruch genommen. Die Flüssigkeit suchte sich ihre freie Bahn. Dabei blieben selbst die Ohrlöcher nicht verschont.
    Zacharias blieb auf seinem Platz hocken. Er tat nichts. Er saß einfach nur da und hielt den Kopf gesenkt. Sein Mund stand offen, und er würgte das Zeug nicht mal hervor. Es floß einfach so heraus, als befände sich im Körper eine Quelle, die immer wieder für Nachschub sorgte.
    Auf dem Boden hatte sich längst eine Lache ausgebreitet, die nicht versickerte und durch den Nachschub immer mehr anwuchs. Sie sah aus wie ein großer, dunkler Teller.
    Die Luft in dieser primitiven Behausung war nicht mehr die gleiche geblieben. Sie roch anders, stank ätzend. Harry mußte ihn akzeptieren, aber er war nicht in der Lage, herauszufinden, wonach er stank. Es hatte mit verfaultem Fleisch zu tun, auch mit vermoderten Pflanzen. Er lag eben irgendwo dazwischen.
    Rocky bellte!
    Dieses scharfe Geräusch riß den Agenten aus seinen Gedanken. Er drehte den Kopf nach rechts, um den Hund anzuschauen. Beinahe glaubte er, in die Augen eines Menschen zu blicken, so hell und klar kamen sie ihm vor. Sie schickten ihm eine Botschaft. Sie zeigten den Willen zu überleben auf der einen und das Gefühl der Angst vor dem Kommenden auf der anderen Seite. Da Rocky nicht sprechen konnte, machte er Harry auf seine Weise klar, was er wollte. Er lief zum Ausgang, blieb dort stehen, bellte ins Freie hinaus, drehte sich wieder und nickte

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