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0992 - Der Judasbaum

0992 - Der Judasbaum

Titel: 0992 - Der Judasbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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gewesen, der von mir aus gesehen in einem rechten Winkel in das Gelände hineinstach. Auf den Bohlen hatte sich auch alles mögliche abgesetzt. Grüner, feuchter Schlamm. Algen und Blätter, die auf dem Holz klebten, als wären sie mit ihm verleimt, und ich würde trotz der breiten Bohlen doch relativ vorsichtig fahren müssen, um nicht abzurutschen und im Sumpf zu landen.
    Ich lenkte den Golf nach links. Der ehemalige Bischof war nervöser geworden. Er bewegte seine Hände unruhig auf den Oberschenkeln. Sein Blick flackerte. Er leckte seine Lippen. Er schaute sich unsicher um, als rechnete er mit einer plötzlich auftauchenden Gefahr.
    Ich stellte ihm keine Fragen, denn ich mußte mich auf das Fahren konzentrieren. Unter den Reifen befanden sich die Bohlen. Sie waren uneben, halbrund an der Oberfläche und unterschiedlich hoch.
    Der Golf schaukelte über diesen primitiven Weg hinweg.
    Schon sehr bald breitete sich zu beiden Seiten des Damms der Sumpf aus. Ob er hier schon tödlich und so weich war, daß es kein Entkommen gab, konnte ich nicht nachvollziehen. Jedenfalls sah ich viel Gras und auch hin und wieder die abgestorbenen Zweige, oder kleinere Äste, die dort schwammen. Noch immer tanzten die Insekten und klatschten gegen die Windschutzscheibe, aber es waren bereits deutlich weniger als im Sommer.
    Der Mann neben mir hatte mir nicht erklärt, wann der Damm zu Ende war. Als ich ihn danach fragte, hob er die Schultern. »Sie werden es schon merken.«
    »Hoffentlich nicht, wenn es zu spät ist.«
    »Ich hatte sie gewarnt. Das ist keine Spazierfahrt, Herr Sinclair. Wir rollen dem Tod entgegen.«
    »Durch den Judasbaum werden wir sterben, falls wir nicht im Schlamm oder in der Brühe versinken.«
    Er nickte.
    »Können Sie mir den Baum beschreiben, Herr Schneider?«
    »Ja, das kann ich. Aber ich will es nicht. Sie sind so neugierig und werden ihn selbst sehen. Dann können Sie sich auch ein Bild von ihm machen.«
    »Gut, belassen wir es dabei.«
    Roland Schneider hatte von Inseln im Sumpf gesprochen, und diese Inseln gab es tatsächlich. Wie Tarnflecken auf einem Kampf anzug hoben sie sich von dem übrigen Gelände ab. Sie verteilten sich dort, sie waren allesamt bewachsen, aber die wenigsten mit irgendwelchen Bäumen, die Ähnlichkeit mit dem Judasbaum gezeigt hätten. So sehr ich auch über die unnatürliche Wärme schimpfte, so glücklich war ich über das Licht. Die blasse Sonne hatte eine Lücke gefunden und schickte ihre Strahlen über den Sumpf. Ihr Schein verlor sich auf der Oberfläche, aber er machte die Umgebung noch klarer.
    Noch spürte ich die Bohlen unter dem Golf. Allerdings hatten sie sich verändert. Sie waren nicht mehr so hart und wiederstandsfähig wie zu Beginn. Jetzt wurden sie allmählich weicher, und ich rechnete damit, bald das Ende des Damms zu erreichen.
    Unser Ziel war der Judasbaum. Er war mir nicht beschrieben worden, ich konnte mir auch keine konkrete Vorstellung von ihm machen, rechnete aber damit, einen außergewöhnlichen Baum zu Gesicht zu bekommen, einen großen, mächtigen und auch einen, der nicht in diese Landschaft hineinpaßte und deshalb auffallen mußte.
    Das allerdings war nicht der Fall. Kein Baum regte seinen Stamm oder sein Geäst aus der braunen Brühe. Der Sumpf lag flach vor uns, abgesehen von diesen Inseln, die bewachsen waren, was wir deutlich sehen konnten.
    Ich hielt an, weil ich sah, daß die Bohlen des Damms vor mir abfielen, als wollten sie im Sumpf verschwinden. Wahrscheinlich war dies auch der Fall, deshalb war es besser, wenn ich stoppte.
    Roland Schneider hatte auch nichts dagegen.
    Wir hielten an. Ich stellte den Motor ab und blieb zunächst hinter dem Lenkrad sitzen. Mittlerweile hatte ich Zweifel bekommen, was diesen Judasbaum anging. Ich sah ihn nicht und konnte mir auch nicht vorstellen, daß hier ein derartiges Gewächs stehen würde. Da mußte mir der ehemalige Bischof noch einige Auskünfte geben.
    Er saß schweigend neben mir und schaute nach vorn. Die Augen leicht zusammengekniffen, als wollte er sich von dem etwas metallisch glänzenden Licht der Sonne schützen. Der Wolkenhimmel über uns hatte noch größere Lücken bekommen, so daß die blasse Novembersonne freie Bahn hatte.
    »Bis hierher wären Sie also gefahren, nicht wahr?«
    Schneider nickte.
    »Und dann!«
    »Wieso?«
    Ich lachte auf und lehnte mich zurück. »Sie sind gut, Herr Schneider. Wir fuhren hierher, um einen Baum zu suchen, eben diesen Judasbaum. Okay, ich sehe einige Bäume

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