0993 - Das Rätsel der Schattenfrau
melden wir uns bei Ihnen. Geben Sie uns die Adresse Ihrer Agentur.«
Ich nahm eine Karte entgegen, steckte sie ein, und dann zog sich Jorge zurück. Ziemlich sauer, weil er nun nicht erfuhr, was sein ehemaliger Chef zu Papier gebracht hatte.
»Willst du sie zuerst lesen?« fragte Suko.
Ich holte mir einen Stuhl heran. »Nein, auf keinen Fall. Du hast sie gefunden, und du darfst mir den Text vorlesen.«
»Ach, wie nett.« Suko blieb gleich sitzen. Er las, während ich mich umschaute. Ich wünschte mir eine Rückkehr der Schattenfrau, aber sie ließ sich nicht blicken. Dabei konnte ich mir vorstellen, daß diese Person uns noch einmal begegnen würde. Denn wir wollten unbedingt am Ball bleiben.
Suko las zwar still und räusperte sich hin und wieder, gab aber auch leise Kommentare ab, deren Sinn ich nicht verstand. Ich wartete darauf, daß er die beschriebenen Seiten überflogen hatte, obwohl er über die Handschrift schimpfte, und dann endlich ließ er die Blätter auf den Schreibtisch sinken.
»Na, alles klar jetzt?«
Suko drehte sich um, weil er mich anschauen wollte. »Ich weiß nicht, aber der Nebel ist dünner geworden.«
»Mal eine Frage zuvor. Ist dieser Schrieb tatsächlich so etwas wie ein Testament gewesen?«
»Nein, überhaupt nicht. Der Text beschäftigt sich vielmehr mit Vorgängen der Vergangenheit. Da hat Frogg entscheidende Erlebnisse aufgeschrieben.«
»Toll. Zum Beispiel?«
»Ich kenne jetzt den Namen der Schattenfrau!«
Die Bemerkung ließ mich zusammenzucken, was Suko zu einem Kichern veranlaßte. »Sie heißt Donata, oder sie hieß so, als sie noch lebte. Aber jetzt ist sie tot.«
»Wie starb sie?«
»Wohl nicht natürlich. Da muß Freund Frogg nachgeholfen haben, als er in Rußland war.«
»Oh, dann ist sie Russin?«
»Ja - oder war es. Und noch etwas. Sie ist nicht nur Russin, sondern zugleich auch Hellseherin gewesen. Sie muß den Leuten die Zukunft vorausgesagt haben.«
»Wie bei Frogg.«
»Richtig. Seine Zukunft ist nicht eben in rosigen Farben geschildert worden, wie du hier selbst nachlesen kannst. Er ist leider nicht auf Einzelheiten eingegangen, aber er muß so geschockt und wütend gewesen sein, daß er nicht mehr an sich halten konnte und diese Donata einfach umgebracht hat. Er hat sie ermordet, John, und sie ist als Schattenfrau zurückgekehrt, um sich an ihm zu rächen. Daß ihr das auch gelungen ist, haben wir ja erlebt.«
Ich atmete tief durch, denn diese Erklärung mußte ich zunächst einmal verkraften.
Frogg war ein Mörder!
Er hatte eine Russin getötet, die ihm die Zukunft vorausgesagt hatte.
Natürlich konnte es auch ein anderes Motiv für diese Tat gegeben, aber dieses hier erschien mir am wahrscheinlichsten. Ob die Polizei ihn als Mörder gejagt hatte, ging aus den Seiten nicht hervor. Aber er hatte es wohl bereut, sonst hätte er sich seine Angst nicht von der Seele schreiben wollen, was ihm letztendlich nicht gelungen war.
»Eine Tote, die als Rächerin aus dem Jenseits zurückgekehrt ist«, sagte ich. »Und die sich nicht nur in feinstofflicher Form zeigt, sondern plötzlich wie ein aus der Luft gefallenes Bild wahrhaftig für einen Moment vor mir stand. Das ist ein Hammer! Das müssen wir erst mal zusammenkriegen.«
»Jedenfalls muß sie etwas Besonderes gewesen sein, John, und zwar mehr als eine ›Hellseherin‹, wie sie sich in der Klatschpresse feiern lassen.«
»Da gebe ich dir recht. Aber hat Frogg das auch gewußt?«
»Glaube ich nicht.«
»Und was hat er in Rußland gemacht?«
Suko hob die Schultern. »Geschäfte, wie auch immer. Das müßten wir kontrollieren.«
»Nicht mehr heute«, sagte ich. »Und auch nicht ohne Hilfe.« Ich stand auf und lief durch das Büro. »Eins ist sicher, Suko, wenn diese Donata eine bekannte Persönlichkeit war, dann hat sie sicherlich auch jemanden gekannt, den wir fragen können.«
Suko grinste mich an. »Wann willst du Freund Wladimir Golenkow den ein Fax schicken?«
»Noch heute nacht.«
»Wie schön, dann auf ins Büro! Dann können wir ja morgen früh mit der Antwort rechnen.«
»Heute«, sagte ich, »heute früh.«
Suko winkte ab. »Sei nicht immer so pingelig. Es reicht schon, daß du Beamter bist, aber du brauchst dich deshalb nicht wie ein Beamter zu benehmen…«
***
Geschlafen hatten wir trotzdem noch, und am anderen Morgen waren wir pünktlich im Büro. Sogar noch vor Glenda, so daß ich mich gezwungen sah, den Kaffee selbst zu kochen.
London erlebte wieder einen dieser typischen
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