0993 - Das Rätsel der Schattenfrau
seine bestellten Getränke entgegen. »Außerdem ist sie um diese Zeit noch nie erschienen. Die taucht immer später auf, wenn überhaupt.« Frogg trank einen Schluck Whisky. Mit dem Bier kühlte er die Schläfe etwas ab.
Ein Paar im besten Mittelalter passierte unseren Tisch und begrüßte den Chef mit einem herzlichen Lächeln. Die Frau sah aus wie eine ägyptische Prinzessin. Ihr Haar war lackschwarz und das Gesicht so faltenlos glatt, daß es schon unnatürlich wirkte. Der Mann trug einen kleinen Pferdeschwanz im Nacken. Er machte auf jugendlich, während seine Begleiterin, wohl aus Angst, daß die Schminke auf dem Gesicht abbröckeln konnte, auf ein Lächeln verzichtete. Die beiden sprachen ein paar Worte mit Frogg, der froh war, sie dann los zu sein. So konnte er sich wieder mit Suko unterhalten.
Ich verfolgte das Gespräch kaum, denn ich war in meine eigene Gedankenwelt versunken. Dieser kalte Hauch ging mir nicht aus dem Kopf. Ich hatte ihn gespürt in ihn mir nicht eingebildet. Etwas allerdings wunderte mich schon. Eigentlich hätte bei dieser doch sehr intensiven Berührung mein Kreuz reagieren müssen, was leider nicht geschehen war. Ich hatte nicht die geringste Spur einer Erwärmung gespürt. Es war kühl oder körperwarm geblieben wie immer.
Doch Einbildung?
Oder spielte mein Kreuz bei derartigen Erscheinungen einfach nicht mit, weil sie nicht unbedingt etwas Böses beinhalteten?
Ich konnte mir keinen Reim darauf machen und wollte erst einmal abwarten.
Hier sitzen bleiben und auf die nächste Zeit hoffen, die lang werden konnte. Bis Mitternacht waren es noch zwei und eine halbe Stunde.
»Wann erscheint sie denn in der Hegel?« Suko stellte die Frage und kam mir zuvor.
Frogg hob die Schultern. »Das katin man nie so genau sagen. Diese Erscheinung läßt sich ja nicht manipulieren Die kommt, wann sie will. Plötzlich ist sie dann da.«
»Auf der Tanzfläche?«
»Ja, ja, Inspektor.« Frogg deutete vage in die entsprechende Richtung.
»Sie kann sich ja mehrere aussuchen.«
»Bleibt sie dort?«
»Ja.«
»Sie setzt sich also nicht zwischen die Gäste auf einen der freien Plätze?«
»Nein!« antwortete Frogg beinahe entrüstet. »Das habe ich noch nie erlebt. Sie erscheint, und sie verschwindet.«
»Was sagen die Tänzer und Tänzerinnen dazu?«
»Nichts. Oder nicht viel. Sie nehmen die Gestalt möglicherweise nicht mal zur Kenntnis. Sie bleibt dort und tanzt. Sie tanzt auch durch die anderen hindurch, und dann ist sie wieder weg.«
Ich hatte gut zugehört und meinte dann: »Davor haben Sie also eine so große Angst, daß Sie uns hergeholt haben.«
»Ahm…« Er wurde verlegen. »Nicht direkt.«
»Wie sieht das indirekt aus?«
Frogg senkte den Blick und griff nach seinem Bierglas. Er hob es an, trank und sah dabei gedankenverloren aus. »Nun ja, ich will ehrlich zu Ihnen sein, denn ich fühle mich von der Schatten-oder Totenfrau bedroht.«
»Hat sie Ihnen etwas getan?«
»Nein, Mr. Sinclair, das nicht. Ich fühle mich trotzdem bedroht, weil ich ihre Geschichte kenne.«
»Wie lautet die?«
»Es ist mehr eine Sage«, gab er mit leiser Stimme zu.
»Daran sind wir immer interessiert«, meinte Suko.
»Nun ja. Im Prinzip ist es so. Immer dann, wenn die Schatten-oder Totenfrau erscheint, stirbt jemand. Sie ist eine Vorbotin des Todes und stammt selbst aus dem Totenreich, aus dem sie hin und wieder entweicht. Das ist im Prinzip alles.«
»Jetzt haben Sie Angst davor, daß Sie sterben?«
Er starrte mich an und nickte.
»Sind denn schon Menschen gestorben, die sich in ihrer Nähe aufgehalten haben?«
Frogg blies den Atem aus und uns damit seinen alkoholisierten Atem ins Gesicht. »Das kann ich nicht genau sagen und auch nicht beweisen. Hier jedenfalls nicht.«
Genau das hatte ich wissen wollen. Ich merkte, daß der Ärger in mir hochstieg. Was uns dieser Typ erzählte, konnte durchaus seiner eigenen Psychose entstammen, und mir lag eine entsprechende Antwort auf der Zunge, als Frogg weitersprach.
»Aber ich werde durch sie sterben.«
»Oh, das wissen Sie?«
»Ja, sie hat es mir erklärt.« Er schien wirklich Probleme zu wälzen, denn er fing an zu schwitzen und rieb wieder mit seinem Tuch durch das Gesicht.
»Darf ich fragen, wie Sie darauf kommen?«
»Mr. Sinclair!« wandte er sich an mich. Seine Stimme klang leise und zischend.
»Diese verdammte Schattenfrau hat mich besucht. Können Sie sich das vorstellen? Sie hat mich in der Nacht besucht, nein, in den Nächten, denn sie ist
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