0996 - Die Grabkriecherin
aber genialen Technik, wie man sie in den Pyramidengräbern gefunden hatte. Da ließen sich plötzlich durch irgendwelche Hebel oder Rollen tonnenschwere Steine bewegen, und so etwas konnte ich mir auch bei dieser Grabplatte vorstellen.
Wenn es so etwas hier gab, dann wollte ich den Mechanismus finden. Wieder half mir dabei die lichtstarke Lampe. Ihr Kegel wanderte langsam über die Grabplatte hinweg. Nichts sollte mir entgegen. Wenn sich die schwere Platte tatsächlich bewegen ließ und auch bewegt worden war, dann mußte es meiner Ansicht nach irgendwelche Spuren geben, die durch diese Verbindung hinterlassen worden waren.
Ich entdeckte nichts. Keine Stelle, wo das Moos oder die Flechten abgekratzt worden wäre, keinen Kontakt, keine Hebel, es war nichts dergleichen vorhanden, zumindest nicht auf der Platte.
Mein Frust wuchs wieder. Gehört hatte ich nichts, aber ich dachte auch nicht daran, aufzugeben.
Diesmal war ich es, der Geräusche verursachte und damit die Stille auf dem Friedhof störte. Ich suchte auch die Seiten dieses seltsamen Altars ab, wo Schmutz und Blätter eine klebrige Schicht gebildet hatten.
Nichts, gar nichts. Der Lampenkegel ließ keinen Flecken aus, aber einen Hebel oder einen Kontakt bekam ich nicht zu Gesicht. Das war hier schon anders als in den ägyptischen Grabstätten.
Resigniert richtete ich mich wieder auf. Ich stand jetzt an der Breitseite dieser Altarplatte und dachte plötzlich über das Wort Platte nach.
War das eine Idee? Oder der Weg zu einer Lösung?
Es gab Platten, die auf Unterteilen lagen und weggeschoben werden konnten. Diesmal konzentrierte ich mich auf den Rand der Platte, der tatsächlich überstand.
Darauf hatte ich vorhin nicht so geachtet. Ich wurde nicht eben nervös, aber mein Herz schlug schon schneller, als ich mich vorbeugte, um die Platte diesmal anzufassen.
Dabei mußte ich mich schon strecken. Ich spürte das Ziehen in den Achselhöhlen, aber ich bekam die Sache in den Griff, und das war in diesem Fall wörtlich gemeint.
Ich hatte mich weit vorbeugen müssen. Mein Gesicht befand sich dicht über der vermoosten Oberfläche, und der kondensierte Atem flatterte darüber hinweg.
Ich versuchte es.
Dann war alles ganz einfach.
Bevor ich noch meine Kräfte einsetzen konnte, erzitterte die Grabplatte unter einem gewaltigen Stoß.
Damit hatte ich beim besten Willen nicht rechnen können. Die schwere Steinplatte wurde in die Höhe gewuchtet, als bestünde sie aus Holz.
Die schwere Platte trieb mich zurück. Sie stand jetzt im schrägen Winkel über dem Grab, nahm mir die Sicht in die Tiefe, dann fiel sie wieder zurück. Ich hörte den dumpfen Schlag, mit dem sie auf das Unterteil fiel und ich selbst prallte mit dem Kinn gegen die Platte, weil ich sie nicht losgelassen hatte.
Aber mir war es nicht gelungen, einen Blick in die Tiefe zu werfen. Sie lag wieder auf dem Unterteil, nur jetzt ein wenig schräg. Ich trat keuchend zurück. Mein Parka war verschmiert. Ich zitterte leicht und blieb vor der Schmalseite stehen.
Da unten hauste ein Feind.
Und dieser Feind wußte von mir.
Er wollte mich.
Ich war darauf nicht gefaßt und wurde wieder überrascht. Ich hörte das kreischende Geräusch, als die Platte über das Oberteil rutsche und verdammt schnell wurde.
Sie traf mich.
Der wuchtige Schlag ließ den Schmerz durch meinen Leib schießen. Mein Magen brannte plötzlich, zudem wurde mir die Luft knapp. Ich wankte zurück, aber nicht weit genug, denn die Altarplatte wurde wieder so schnell nach vorn geschoben, daß sie mich ein zweites Mal erwischte.
Und diesmal so, daß ich nicht auf den Beinen bleiben konnte. Ich landete auf dem Rücken. Im Körper noch das Glühen, und mit dem Hinterkopf war ich noch gegen einen Kantstein geprallt, so daß ich im ersten Moment Sterne gesehen hatte.
Die aber verschwanden wieder. Dafür hatte ich das Gefühl, nicht mehr auf einem normalen Boden zu liegen, sondern darüber hinwegzuschweben. Ich war groggy, außer Gefecht gesetzt, aber nicht bewußtlos. So konnte ich trotzdem erkennen, was mit dieser Graböffnung passierte.
Zwischen Unterteil und Deckel war sie groß genug, um jemanden hindurchkriechen zu lassen.
Ich war der Zeuge. Ich lag auf dem Rücken. Ich konnte über meinen Körper hinweg auf diesen höherliegenden Grabstein mit der Platte schauen, die nach hinten gerutscht war und etwas schräg lag.
Über den Friedhof trieb kein Nebel. Es gab nicht den geringsten Dunst, und der Himmel über mir erinnerte mich an
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