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0998 - Die Welt der verlorenen Kinder

0998 - Die Welt der verlorenen Kinder

Titel: 0998 - Die Welt der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Schön ist es nicht, und es wird auch nicht mehr schön werden, wenn ich das mal so sagen darf. Dafür sorgt schon mein Vater.«
    »Ist er so puritanisch veranlagt?«
    »Das kann man wohl sagen. Das Leben ist für ihn die Minimierung auf die rein wichtigen Dinge. So jedenfalls habe ich ihn früher erlebt, und es hat sich nichts geändert. Aber glauben Sie nur nicht, John, daß er deshalb freundlicher geworden wäre.« Sie lachte und hakte mich unter.
    »Da haben Sie recht. Aber kommen Sie, wir wollen hier nicht stehenbleiben.«
    »Wo führen Sie mich hin?«
    »In mein Zimmer.«
    »Und weiter?«
    »Wir werden sehen«, erwiderte sie und lächelte mir zu. »Ich bin mir sicher, daß Sie nicht nur als Besucher hergekommen sind oder als jemand, der sich zufällig verirrt hat. Sie wirken wie ein Mensch, der ein genaues Ziel vor Augen sieht.«
    »Ist das nicht bei jedem von uns so?«
    »Bei den meisten schon.«
    »Eben.«
    Wir waren auf eine ebenfalls dunkel gestrichene Tür zugegangen, die offenstand. Sie lag im Schatten der Treppe, und hinter ihr befand sich das Zimmer der Pastorentochter.
    Grace ließ mich eintreten und sagte nur. »Hier habe ich meine Kindheit und meine Jugend verbracht. Schauen Sie sich nur um, John.«
    Das tat ich. Dunkle Möbel. Zwar wertvoll, auch wegen ihrer Schnitzereien und der gedrechselten Säulen an Bett und Schrank, aber für ein Kind oder eine Jugendliche war das nichts.
    »Sind Sie hier nicht schwermütig geworden?« erkundigte ich mich.
    »Nein, ich kannte ja nichts anderes. Irgendwann hatte ich mich daran gewöhnt, wobei ich hier mehr Platz hatte als alle anderen Kinder im Dorf, die mit mir zusammen aufgewachsen sind.« Sie deutete auf eine Couch, die mehr ein Kastenmöbel war und vor einem Tisch stand. »Legen Sie ab und setzen Sie sich. Im Stehen plaudert es sich nicht so gut. Ich habe auch etwas zu trinken. Was nehmen Sie?«
    »Etwas Warmes.«
    »Whisky wärmt auch.«
    »Da haben Sie recht.« Ich zog meine Jacke aus, während sich Grace um die Getränke kümmerte. Im Licht der zwei Stehlampen wirkten die hohen Fenster irgendwie wolkig.
    Die Sitzfläche war nicht eben weich, aber das hätte auch nicht gepaßt.
    Bevor Grace die Drinks servierte, entzündete sie noch zwei Kerzen und stellte sie auf den Tisch. Der Flackerschein brach sich in den Gläsern und tanzte auf der Oberfläche der Getränke. Sie hatte sich neben mich gesetzt, die Beine übereinandergeschlagen und schaute mich an.
    »Cheers!«
    »Ja, auf Ihr Wohl!«
    Wir tranken, und ich stellte fest, daß der Whisky zur höheren Preisklasse gehörte. Als Grace ihr Glas auf den Tisch stellte, fragte sie: »Haben Sie jetzt erreicht, was Sie wollten, John?«
    »Das kommt darauf an.«
    »Sie sind erst einmal hier.«
    »Das kann ich nicht leugnen.«
    »Und auch mich wollten Sie wiedersehen.«
    »Stimmt ebenfalls.«
    Ihre Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln. »Aber es ging Ihnen im Prinzip nicht um mich, sondern mehr um meinen Vater. Ich war gewissermaßen das Mittel zum Zweck - oder?«
    »Nein, so dürfen Sie das nicht sehen.«
    »Wie dann?«
    »Es war wirklich ein Zufall, daß wir uns trafen, und ich habe Sie als den einzigen Lichtblick in diesem Ort angesehen.«
    »Das müssen Sie mir erklären.«
    »Gern. Ich kann mir vorstellen, daß Sie Paxton mittlerweile mit den Augen einer Fremden ansehen…«
    »So ähnlich«, gab sie zu.
    »Und da sind Sie mir eben aufgefallen, Grace. Ich habe nicht viele Bewohner gesehen, bei Ihnen aber hatte ich den Eindruck, daß Sie anders sind, als die übrigen Bewohner.«
    »Da haben Sie nicht falsch gelegen. Ich könnte hier nicht mehr leben, und ich bin auch nur hergekommen, um das Weihnachtsfest mit meinem Vater zu verbringen.«
    »Haben Sie ihn schon gesprochen?«
    Sie senkte den Kopf. »Das habe ich.«
    Die Bewegung und so wie die Antwort gegeben worden war, hatten mir nicht gefallen. »Begeistert hört sich das nicht an.«
    »Das ist es auch nicht gewesen.«
    »Was stört Sie? Der Vater? Oder bereuen Sie allgemein, überhaupt nach Paxton gekommen zu sein?«
    Sie hob die Schultern. »Vielleicht beides, John.«
    »Können Sie mir das näher erklären?«
    »Nein.«
    Die Antwort hatte mir etwas zu hart geklungen. »Moment mal, was soll das bedeuten?«
    Sie nahm ihr Glas und schaute hinein. »Ich denke, daß Sie es nicht begreifen würden, John. Es gibt manchmal Dinge, die muß man für sich behalten. Da haben andere Menschen nichts damit zu tun. Besonders keine fremden Personen.«
    »Hm. Das ist

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