1. Die Connor Boys: Komm ich zeig dir wie man liebt
schon immer das Gefühl gehabt, dass du dir viel zu viele Gedanken um andere Leute machst. Du solltest mehr an dich denken..." Er zögerte. „Wem weh tun?"
„Meinem Dad. Oder Mellie. Beiden gefällt unser Leben, wie es ist. Ich will Mellie nicht wieder entwurzeln, wo sie sich so gut eingelebt hat. Es war so schwer für sie, als ihr Vater starb. Sie vermisst ihn heute noch manchmal, aber wenigstens hat sie den Kummer überwunden." Kirstin seufzte und zog die Handbremse an. „Wahrscheinlich ist es sehr egoistisch von mir, im Augenblick an eine Veränderung zu denken. Dass ich mich nicht unabhängig genug fühle, ist eigentlich kein ausreichender Grund." Plötzlich lachte sie. „Es hat mir geholfen, mit dir darüber zu reden, Gordon. Danke."
Kaum war er ausgestiegen, da fuhr sie auch schon los, ließ ihn völlig entnervt zurück. Keine Frau hatte ihn jemals so gründlich missverstanden. Es war fast schon zum Lachen, dass sie ausgerechnet ihn in solcher Angelegenheit um Rat fragte. Schlimmer noch, sie hatte seine Phantasie angeregt, als sie von einer Affäre sprach.
„Fertig. Na, wie gefällt es Ihnen?"
Jim Crow nahm ihm den Umhang von den Schultern und drehte den Stuhl hin und her, so dass Gordon sich von allen Seiten betrachten konnte. Entsetzt starrte er sein Spiegelbild an. Die Marshmallows allein hatten ihn nicht dazu bewegt, endlich zum Friseur zu gehen. Er hatte es mehr ihretwegen getan. Kirstin sollte sich seiner nicht schämen müssen. Aber, du lieber Himmel, er hatte sein Gesicht seit Jahren nicht mehr richtig gesehen. Er kam sich nackt vor, sah jetzt aus wie jeder andere gepflegte Durchschnittsamerikaner. Allerdings, ohne den Bart wirkte er zehn Jahre jünger und längst nicht mehr so streng.
„Sie können wohl schlecht etwas wieder ankleben", versetzte er trocken.
„Warum nicht? Ich tue alles, um die Kunden zufrieden zu stellen. Irgendwo habe ich sicher noch etwas Klebstoff liegen..."
Die Leute in Maine haben alle Sinn für Humor, dachte Gordon düster und nahm sich den goldenen Ohrring heraus. Bei seinem Wall-Street-Haarschnitt wirkte der Ohrring lächerlich. Nachdem er dem Friseur trotz allem ein Trinkgeld gegeben hatte, verließ er den Laden.
Wieso fragte er sich jetzt ängstlich, was Kirstin wohl zu seinem neuen Schnitt sagen würde? Eigentlich nahm sie alles gelassen hin. Sie hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als sie erfuhr, dass er ein Rockstar war, kümmerte sich nicht darum, ob er Geld hatte oder nicht. Sie unterhielt sich einfach nur gern mit ihm, mochte mit ihm Zusammensein, bezog ihn in das mit ein, was sie gerade unternahm. Behandelte ihn ganz normal, so als wäre er jemand, den sie achtete und dem sie vertraute.
Kirstin schätzte ihn vollkommen falsch ein. Er besaß nicht eine einzige gute Eigenschaft, um eine festere Beziehung mit ihr einzugehen. Doch irgendwie hatte diese Frau ihn geschickt in ihr Leben mit einbezogen, wusste anscheinend nicht, dass zu einer Bindung zwei gehörten. Sich ein bisschen zu unterhalten oder etwas gemeinsam zu unternehmen war noch meilenweit von einer festen Bindung entfernt. Nichts konnte passieren, wenn er nichts dazu beitrug.
Dieser Gedanke erleichterte ihn ein wenig, und mit etwas besserer Laune setzte er sich hinter das Steuer seines Lotus. Vierund zwanzig herrliche einsame Stunden lagen vor ihm, ehe er sich wieder mit ihr auseinandersetzen musste. Mehr als Zeit genug, um sich zu erholen.
Als er eine Viertelstunde später in seine Einfahrt bog, stand Kirstins orangenfarbene Rostlaube mit den Blumenaufklebern genau auf seinem Parkplatz.
7. KAPITEL
„Heute ist doch Donnerstag, oder? Nicht Dienstag oder Freitag? Mit euch beiden habe ich gar nicht gerechnet."
„Hallo, Gordon! Wir haben dich überrascht, was?" Mellies Gesicht leuchtete. Das kirschrote Sweatshirt passte zu der frischen Farbe ihrer Wangen, und ihre Augen blitzten vor Eifer. „Ich habe Mom gesagt, dich würde das umhauen. Wir können aber nicht lange bleiben. Nur ein paar Stunden oder so. Mom hat noch was zu tun danach... O je, wie siehst du denn aus?"
Gordon überging die Frage. Während er sich langsam seine Jacke auszog, sah er sich mit wachsendem Ärger in der Küche um. „Das darf doch nicht wahr sein!" donnerte er schließlich los. „Wo ist deine Mutter? Und müsstest du nicht in der Schule sein?"
„Ja, das schon, aber ich hatte Bauchschmerzen. Mom musste mich abholen. Dadurch ist ihr ganzer Plan durcheinander gekommen. Meine Lehrerin sagt, Kinder im ersten
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