1. Die Rinucci Brüder: Wenn golden die Sonne im Meer versinkt
Mensch, der leicht aus der Haut fährt. Jetzt ist mir klar, dass du unterschwellig immer wütend bist, egal, was seist, unter der Oberfläche brodelt es. Irgendetwas lässt dir ke ine Ruhe.“
„Es tut mir leid, dass ich die Beherrschung …“
„Das ist okay“, unterbrach sie ihn. „Du hast dich s chon entschuldigt und Mark ein Computerspiel als Wiedergutmachung gekauft.“
„Ja, und er hat meinen Laptop benutzt, sodass ich stundenlang nicht arbeiten konnte. Du musst zugeben, ich habe es geduldig ertragen.“
„Das stimmt, du hast eine Engelsgeduld bewiesen, als du dir von ihm hast zeigen lassen, wie das Spiel funktioniert. Du hast ihn sogar gewinnen lassen.“
„Nein, er war wirklich besser als ich“, entgegnete er lächelnd. „Er ist ein großartiger Junge, Evie, und ich glaube …“
„Du solltest nicht das Thema wechseln. Wir reden jetzt über dich, denn du bist nicht glücklich.“
„Doch“, behauptete er und zog sie fester an sich. „ Wenn du mich weiterhin so gut behandelst, werde ich ganz sanft, lieb und anhänglich sein.“
„Niemals! Das passt nicht zu dir. Außerdem würde mi r das gar nicht gefallen. Nein, jede noch so gute Behandlung hilft dir letztlich nicht. Du musst selbst an dir arbeiten, du musst Ordnung in das Chaos bringen, das in deinem Innern herrscht.“
„Evie, ich bin doch nicht krank!“
„Du leidest innerlich, und das ist auch so etwas wie eine Krankheit.“
„Hört sich interessant an. Du scheinst Expertin auf dem Gebiet zu sein“, antwortete er betont unbekümmert.
„Versuch bitte nicht, mich abzulenken.“
„Gibt es etwas, was du nicht weißt?“
„Lass das bitte. Das Thema gefällt dir nicht. Du wi llst dich mit deinen Problemen nicht auseinandersetzen.“
„Da hast du recht“, gab er zu. „Warum, zum Teufel, sollte ich das auch tun?“
„Weil du deine Probleme sonst nie lösen kannst.“
„Wie soll ich sie denn lösen? Mein Leben ist so, wi e es ist. Ich muss damit zurechtkommen. Es kann nichts gelöst werden.“
„Vielleicht doch.“
„Evie, mir ist klar, du meinst es gut. Aber ich kann es nicht ändern, dass ich als Kind weggegeben wurde. Ich kann nur versuchen, das Beste aus meinem Leben zu machen.“ „Sicher. Du kannst aber auch Nachforschungen anstellen, und vielleicht findest du dann heraus, dass alles anders war, als du glaubst.“
„Was meinst du damit?“
„Dass du deine leibliche Mutter suchen solltest, damit du weißt, wer sie ist, wie sie ist und warum sie dich nicht behalten konnte.“
Schockiert sah er sie an. „Bist du verrückt?“
„Nein. Aber du könntest es werden, wenn du weiterhi n mit all deinen seelischen Belastungen leben willst. Früher oder später brichst du zusamme n.“ Es war eine riskante Bemerkung, wie Evie genau wusste, und sie wartete gespannt auf seine Reaktion.
Justin blickte sie nur schweigend und mit finsterer Miene an.
„Hast du noch nie versucht, sie zu finden?“
„Warum hätte ich das tun sollen? Soll ich sie frage n, weshalb sie mich wie einen wertlosen Gegenstand weggegeben und vergessen hat? Und soll ich nachher, wenn sie es erzählt hat, so tun, als wäre alles wieder in Ordnung?“
„Nein. Es wäre jedoch möglich, dass du sie nachher besser verstehst. Vielleicht hatte sie keine andere Wahl. Vermutlich war sie damals sehr jung und unverheiratet, und für ledige Mütter
war es zu der Zeit noch viel schwieriger, ein Kind allein großzuziehen, als heutzutage. Versuch wenigstens, sie zu finden und mit ihr zu reden.“
„Warum denn? Sie hat mich im Stich gelassen, das ist alles.“
„Es ist immerhin möglich, dass sie dich gar nicht w eggeben wollte, sondern dazu gezwungen wurde.“
„Mich könnte niemand zwingen, meinen Sohn wegzugebe n.“
„Mach dich nicht lächerlich“, fuhr sie ihn an. „Etw as Dümmeres hätte dir nicht einfallen können. Wir reden hier von einem jungen Mädchen, da s wahrscheinlich sehr verletzlich und leicht zu beeinflussen war. Du bist ein erwachsener Mensch, ein erfolgreicher Geschäftsmann, der völlig unabhängig ist. Dich kann sowieso keiner einschüchtern.“
„Du schaffst es.“
„Ich habe nicht versucht, dich einzuschüchtern, son dern stelle nur Tatsachen fest.“
„Das macht für mich momentan keinen Unterschied.“ E r blickte sie unsicher an.
„Also ehrlich, Justin, du redest Unsinn.“
„Okay, ich gebe es zu“, antwortete er hart. „Ich wo llte das Thema wechseln. Glaubst du, ich würde mit Fremden über mein Privatleben
Weitere Kostenlose Bücher