1 Fatale Bilanz - Ein Hamburg-Krimi
entgegenkommen würde.«
Das hatte gesessen. Kranz konnte seine Hände nicht mehr stillhalten und warf dem Oberstaatsanwalt Hilfe suchende Blicke zu.
»Ich weiß nichts von Ereignissen vor elf Jahren. Soweit ich unterrichtet bin, handelt es sich um eine Anhäufung von Missverständnissen und eine Verkettung unglücklicher Umstände.«
Sie hätte ein Monatsgehalt dafür gegeben, wenn Sven hier wäre. Mit den wenigen Fragmenten, die sie kannte, konnte sie nur improvisieren, aber niemals ein schlüssiges Gesamtbild skizzieren.
»Fangen wir doch damit an, dass als Gegenleistung für Informationen ein Handel abgeschlossen werden soll. Herr Kranz hat uns nichts anzubieten, das Kommissar Klein nicht schon ermittelt hätte.«
Sichtlich entsetzt, sprang Kranz auf.
»Georg, du hast doch gesagt …«
Mit einem strengen Blick brachte ihn der Oberstaatsanwalt zum Schweigen. Schade, sie hätte zu gerne den restlichen Satz auch gehört.
»Wir sprechen hier über terroristische Aktivitäten, für die die Kollegen vom Staatsschutz zuständig sind«, konterte Haderer. »Nur die sind in der Lage, die Aussagen von Herrn Kranz sinnvoll einzuordnen. Daher möchte ich wissen, wieso Kommissar Alberts anwesend ist.«
»Das kann ich Ihnen gern erklären. Es war nicht abzusehen, dass ein Fall von Wirtschaftskriminalität zu einem elf Jahre zurückliegenden Mordversuch und zu einer aktiven Terrorzelle führen würde«, entgegnete Natascha. »Sie kennen die Vergangenheit von Herrn Klein und wissen, wie viel der Polizeipräsident von ihm hält. Er hat die ganze Angelegenheit so gut wie abgeschlossen. Ein Einschalten der zuständigen Dezernate hätte nur Verzögerungen zur Folge gehabt, Menschenleben in Gefahr gebracht und damit den Gesamterfolg gefährdet.«
»Dennoch haben wir genügend Spielraum, um Herrn Kranz einen Handel für seine Aussage und Kooperationsbereitschaft anbieten zu können.«
Matthias sah sie entsetzt an.
Natascha stand auf. »Es geht hier nicht nur um die terroristischen Aktivitäten und schon gar nicht um Zuständigkeiten. Matthias, nimm Kranz vorläufig fest. Ich beantrage Haftbefehl wegen des dringenden Tatverdachts des versuchten Mordes an Frau Shara Rawiz. Aufgrund der akuten Flucht- und Verdunklungsgefahr sehe ich nicht das geringste Problem, dass der Haftrichter meinem Antrag folgen wird. Es sei denn, er ist dem hier anwesenden Herrn auch über einen Tennis-, Golfclub oder sonst was freundschaftlich verbunden.«
Haderer schwieg. Kranz räusperte sich. »Könnten Sie sicherstellen, dass meine Familie geschützt wird? Ich befürchte, dass die … Terroristen ein Exempel statuieren.«
»Wir werden sehen, inwieweit das noch erforderlich ist. Vermutlich hat Herr Klein bereits Ihre Komplizen aus dem Verkehr gezogen.« Und hoffentlich hatte er genug Beweise für eine Anklage zusammen. Sie war sich sicher, dass Haderer den Gedanken an einen Handel noch nicht aufgegeben hatte.
Auf den Schuss folgte Totenstille. Die Kugel hatte Sayeeds Kopf um wenige Zentimeter verfehlt. Zitternd und blass lag er vor ihnen.
»Ich wollte nur, dass er weiß, wie es ist, Angst zu haben.«
Mark legte Alex beruhigend die Hand auf den Rücken.
»Ich denke, das ist dir gelungen. Es ist eben ein Unterschied, ob man einen verblendeten Teenager als lebende Bombe losschickt oder selbst dem Tod ins Auge blickt. Aber jetzt gib Sven die Waffe zurück.«
Er signalisierte seinem Team, die nach dem Schuss ihre Waffen im Anschlag hatten, dass die Situation geklärt war.
Jake deutete auf den Vordereingang.
»Mac, wir bekommen Gesellschaft.«
Außer Polizeiwagen mit zuckenden Blaulichtern hielten auch Zivilfahrzeuge vor der Villa, und erste Kameras wurden in ihre Richtung gehalten.
»Wenn ihr abhauen wollt, ist das kein Problem. Ich werde dafür sorgen, dass ihr später vollen Zugriff auf die Gefangenen, die Computer und sämtliche Unterlagen bekommt«, bot Sven an.
Nachdenklich ruhte Marks Blick auf Sayeed. »Sven, ich muss mit dir reden.« Er packte Sven am Arm und zog ihn fort. »Komm schon.«
Widerstrebend senkte Sven seine MP5, die er immer noch auf Sayeed gerichtet hatte. Am liebsten hätte er das Problem mit einem gezielten Schuss gelöst.
»Was ist?«
»Du weißt, dass Sayeed recht hat. Er kann dir, oder besser euch, noch Probleme machen.«
»Das brauchst du mir nicht zu erklären. Das weiß ich selbst. Am liebsten würde ich …« Genervt fuhr sich Sven durch die Haare.
»Ich auch, aber soweit brauchen wir nicht zu gehen.
Weitere Kostenlose Bücher