1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe
España zusammenarbeiten.
Mama, das Telefon tutet nicht mehr.
Ja, Schätzchen, ich weiß.
Kann man das nicht reparieren?
Nein, aber es geht auch ohne Telefon.
Komisch, früher hättest du so was nicht gesagt.
Der liebe Gott sieht alles
E s ging weiter bergab. Sachen wurden gepfändet, Konten gesperrt, Verträge aufgelöst. Freunde und Bekannte zogen sich dezent zurück, einige wenige blieben übrig.
Einen akzeptablen Ausweg aus einem solchen Dilemma gibt es nur, wenn beide Eheleute an einem Strang ziehen. Ein radikaler Perspektivwechsel war nötig. Ich hatte ihn bereits bereitwillig vollzogen und versuchte, so gut es ging, danach zu handeln, wurde dafür von meinem Mann jedoch eher belächelt, jedenfalls nicht unterstützt. Für mich war das Schlimmste, dass sich aus meiner Sicht André immer mehr verschloss und für mich mit meinen Anliegen immer unerreichbarer wurde.
Unsere Baustellen, an denen wir tagtäglich kämpften, unterschieden sich gravierend voneinander. Ich nahm das finanzielle Desaster an, zog radikale Sparmaßnahmen durch, bemühte mich permanent um einen Job, um uns zu ernähren, und versuchte alles Übel von den Kindern fernzuhalten. Andrés Baustelle schien mir eine Traumwelt aus unbegrenzten unternehmerischen Möglichkeiten zu sein, in der die Notwendigkeit, einer einfachen Arbeit nachzugehen, die uns ein paar Euros im Monat gebracht hätte, nicht vorkam. Sowohl er als auch ich betrachteten die eigene Baustelle als die richtige und die des anderen als Verschwendung von Ressourcen.
Nachdem ich mir das in meinen Augen sinnfreie, wenn nicht gar gefährliche Treiben Andrés vier Monate lang angeschaut hatte, machte ich einen Termin bei einer (mittlerweile ehemaligen) Freundin der Familie, die ebenfalls Unternehmerin war und sich bereit erklärt hatte, mir eine halbe Stunde ihrer kostbaren Zeit zu opfern, weil ich wissen wollte, ob ich vielleicht einfach nur wahnsinnig war und meine Baustelle in Wirklichkeit die falsche war.
»Wenn mir jemand, den ich noch nie mit eigenen Augen gesehen habe, am Telefon sagt, ich solle ihm vierhunderttausend Euro überweisen, damit er vier Millionen daraus macht, dann ist das natürlich eine tolle Sache.«
Ruth lächelte und betrachtete kurz ihre dunkelrot lackierten Fingernägel.
»Aber er soll es mir erklären, wie er das genau macht. Dann bin ich nämlich sofort mit dabei.«
Erschöpft von den Vorfällen der letzten Monate, hatte ich keinen Sinn mehr für Ruths Humor.
»Bitte sag mir, was du von der ganzen Sache hältst«, versuchte ich das Gespräch fortzusetzen.
Ruth schaute mich einen Moment lang an, sehr ernst, ich hatte fast das Gefühl, dass sie ein ganz klein wenig nachvollziehen könne, wie elend mir zumute sei.
»Liebe Petra, sieh den Tatsachen ins Auge. Du bist völlig normal. Du wuppst gerade eine ganze Menge. Bei André hilft nur noch eine drastische Kursänderung. Und zwar schleunigst.«
Wieder zu Hause konfrontierte ich meinen Mann mit Ruths Äußerungen. André wollte davon nichts wissen.
Ich empfand mich als eine Art verletztes, gejagtes Wesen, das gar nicht begreift, wie ihm geschieht. Gleichzeitig beschäftigte mich immer wieder die Frage nach der Loyalität in Bezug auf den Ehepartner. Fest eingebrannt in meine Seele war der Merkspruch »Stand by your man« – moralisch gesehen eine durchaus gute Sache. Es wird eigentlich nur dann problematisch, wenn es umgekehrt nicht gilt.
Dennoch: Mein aus der Kinderstube einer großen westfälischen Sippe mitgebrachtes Verantwortungsgefühl gegenüber meinem unternehmerische Kapriolen schlagenden Ehemann ließ mich lange an einem gemeinsamen Durchstehen festhalten. Zu lange. (Später ist man immer klüger.) Ich erinnere mich noch gut an die Gesichter der drei Sachbearbeiterinnen vom Amt für Wohnraumsicherung und Obdachlosenarbeit. Ich hatte dort zum angeordneten Termin zu erscheinen, damit mir eine Wohnung nach der Zwangsräumung der Villa vermittelt werden konnte. Die drei Damen guckten betroffen auf ihre Schreibtische, wühlten verlegen in ihren Unterlagen, aus denen unser ganzes unternehmerisches, finanzielles und juristisches Desaster hervorging.
Die Gestalten, die sich in der Nähe meines Unternehmergatten tummelten, kamen mir immer sonderbarer vor. Außerdem mangelte es stets an Barem. Ich verstand gar nichts mehr.
Mir wurde klar, dass ich nun Vorkehrungen treffen musste, um mit den Kindern später womöglich alleine klarkommen zu können.
Ich fing an – verletztes, gejagtes
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