1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe
Wesen mit schlechtem Gewissen –, hier einmal zehn Euro, dort einmal fünfzig Euro beiseitezulegen. Als ich etwa zweihundert Euro zusammenhatte und das Telefon wieder einmal abgeschaltet worden war, wurde ich unsicher: Durfte ich das überhaupt, einfach etwas abzweigen? Sollte ich das Geld nicht besser dafür benutzen, Rechnungen zu bezahlen?
Meine beste Freundin Renate war und ist für mich in praktischen und moralischen Fragen eine wichtige Instanz. Sie war diejenige, die über all meine Ehejahre hinweg kontinuierlich auf meine fehlende finanzielle Absicherung (Alter, Krankheit, Scheidung, Tod des Partners) hingewiesen hatte. Sie war erschüttert, als sie von unserem finanziellen Absturz erfuhr. Selbst Tochter eines selbständigen Architekten waren ihr die Auswirkungen von schlechter Auftragslage und plötzlichen ökonomischen Engpässen wohlbekannt. Sie erzählte einmal, wie zu Hause wieder kein Geld da gewesen sei – dann habe ihre Mutter ruhig und gefasst einen einfachen Rührkuchen gemacht, das sei immer drin gewesen, ein bisschen Mehl, ein paar Eier, und alle waren wieder einen Moment lang glücklich. Das Zurückgeworfensein auf diese ganz einfachen Dinge hat auch in unserer Bredouille immer kleine Augenblicke des Glücks hervorgebracht.
Ich suchte nun Renate auf, um von ihr eine Einschätzung zu meinem geheimen Geldabzweigen zu erhalten.
»Und du bist sicher, dass er nichts davon weiß?«
»Der hat anderes zu tun.«
»Hast du mit ihm darüber geredet, dass das alles so nicht mehr weitergehen kann?«
»Renate, das weißt du doch, es hat nichts genutzt.«
»Wo kommt das Geld her?«
»Geburtstagsgeld von meiner Oma, kleine Beträge aus der Haushaltskasse, Stand auf dem Trödelmarkt, Rest von meinem alten Konto und so weiter.«
Renate überlegte. War mein Mantra »Stand by your man«, so war ihres »Der liebe Gott sieht alles«. Renate konnte keine abschließende Entscheidung verkünden und sagte, sie wolle sich am nächsten Tag bei mir melden. Wir küssten und umarmten uns, und Renate sagte zum Abschied: »Ich werde für dich beten, und ich werde Gott befragen.«
Am nächsten Tag sammelte ich gerade meine Kinder vom Schulhof ein, da sah ich Renate am anderen Ende des Hofes heftig winken.
»Unbedingt so weitermachen!«, rief sie mir zu.
Gott muss ein weises Wesen sein. Er machte Renate mit seinem gütigen Segen über viele Jahre zu meiner Komplizin.
Von nun an sammelte ich kleinste Beträge, um vorbereitet zu sein auf die ganz große Katastrophe: das Auseinanderbrechen der Ehe und meinen Auszug mit vier Kindern und einigen Habseligkeiten. Das bis dahin zusammengekommene Startgeld von zweitausend Euro half mir später dann über die erste Zeit hinweg.
Jahre später fand ich beim Aufräumen meines kleinen Medizinschränkchens eine eingedrückte Schachtel, das Verfallsdatum war bereits abgelaufen. Ich wollte sie direkt in den Müll werfen, aber die Schachtel war seltsam leicht dafür, dass sie eine Cremetube enthalten sollte. Ich öffnete die Verpackung – und zog eine säuberlich gedrehte Rolle mit Geldscheinen heraus. Mit Gummiband drum. Zweihundertfünfzig Euro. Und dann kam die Erinnerung wieder. Auf der Suche nach einem weiteren Geldversteck, auf das mein Mann auf keinen Fall kommen sollte, war ich auf die perfekte Schachtel gestoßen: Fungizid Vaginalsalbe. – Von dem aufgetauchten Geld lud ich Renate zum Frühstück ins Kranzler ein. Danach kauften wir mir ein Paar rote Schuhe mit ungesund hohen Absätzen.
Renate war auch diejenige, die nach einer weiteren Konsultation mit dem Chef da oben zu der Erkenntnis kam, ich müsse unbedingt einige Wertgegenstände vor der Zwangsvollstreckung und fiesen Gläubigern schützen. Im Keller ihres Hauses lagerte sie mein Cello ein, das zwar später dran glauben musste, aber weitestgehend freiwillig und nicht durch die Hand eines Gerichtsvollziehers niedergestreckt wurde. Andere Wertgegenstände besaß ich nicht mehr, und das sollte auch so bleiben.
Als gut wirtschaftende Hausfrau war Renate erfinderisch, wenn es ums Sparen und Flüssigmachen von Geldern ging. Von ihr bekam ich stets die getragene Kinderkleidung ihrer Tochter und ihres Sohnes, perfekt auf Stoß gefaltet, duftend, liebevoll gepflegt. Eine Wonne für Millie und Till, die sich immer auf die großen, braunen Papiertüten stürzten, wenn im Frühjahr und im Herbst Renates neue alte Kollektion bei uns eintraf.
Mich munterte Renate einmal auf, indem sie mich auf einen Wochenendtrip nach
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